Arbeitnehmerhaftung

Kein Schadensersatz bei »Spoofing-Betrug«

06. September 2017
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Quelle: robin_art_Dollarphotoclub

Mit einem so genannten »Spoofing-Betrug« hat sich das LAG Düsseldorf befasst. Eine Kassiererin gab am Telefon die Codes für 124 Prepaid-Karten heraus – obwohl ihr das eine Betriebsanweisung untersagt hatte. Bei den Anrufern handelte es sich um Betrüger. Da die Kassiererin jedoch nicht grob fahrlässig handelte, muss sie für den Schaden nicht aufkommen.

Die beklagte Arbeitnehmerin ist seit dem 21.6.2015 in Teilzeit als Kassiererin in einer Tankstelle beschäftigt. Sie wurde an ein bis zwei Tagen eingearbeitet. Dabei wurde sie über die Betriebsanweisung informiert, wonach Telefonkarten nicht am Telefon herausgegeben werden dürfen.

Betrügerische Anrufe

Am Abend des 29.9.2015 arbeitete die Beklagte in der Tankstelle. Um 22.49 Uhr erhielt sie einen Anruf von einer männlichen Person, die sich als Mitarbeiter einer Telefongesellschaft ausgab. Er erklärte, dass eine Systemumstellung vorgenommen werden solle, womit eine andere Firma, und zwar diejenige, die für Betreuung des gesamten Betriebssystems der Tankstelle zuständig war, beauftragt sei. Diese würde sich kurze Zeit später telefonisch melden.

Kassiererin gibt Prepaid-Codes an Anrufer weiter

Um 22.51 Uhr erhielt die Beklagte einen Anruf einer weiteren männlichen Person, die sich als Mitarbeiter der beauftragten Firma ausgab. Diese gab an, dass sämtliche 30-Euro-Prepaid-Telefonkarten durch neue ersetzt werden müssten. Die Beklagte scannte daraufhin insgesamt 124 Prepaidkarten zu je 30 Euro ein, druckte die jeweils 14-stelligen Codes aus und gab dem Anrufer sämtliche Prepaid-Codes telefonisch bekannt.

Versicherung fordert Schadensersatz von Arbeitnehmerin

Bei den Anrufen handelte es sich um einen Betrug, durch den ein Schaden von 3.720 Euro entstand. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass es sich um einen Fall von sog. Spoofing handelte, bei dem eine falsche Telefonnummer des Anrufers angezeigt wurde. Die Klägerin, eine Versicherung, erstattete der Inhaberin der Tankstelle diesen Schaden. Aus  »übergegangenem Recht« forderte sie daraufhin den Betrag von der beklagte Arbeitnehmerin zurück.

Haftung nur bei grober Fahrlässigkeit

Die Klage hatte keinen Erfolg. Die klagende Versicherung hatte die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist nicht gewahrt. Nach dem Arbeitsvertrag kam daher eine Haftung nur noch bei grober Fahrlässigkeit in Betracht. Diese lag nicht vor. Denn die Kassierein hat in der konkreten Situation die erforderliche Sorgfalt nicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das verkannt, was jedem hätte sofort einleuchten müssen.

Kassiererin war unterlegen gegenüber den Anrufern

Die Kassiererin befand sich in der doppelten Anrufsituation in einer strukturellen Unterlegenheit gegenüber den Anrufern, die den Betrugsversuch professionell vorbereitet hatten. Sie durfte die Anrufe für echt halten. Ein ganz entscheidender Aspekt dafür war folgender: Bei Eingabe der 124 Karten in das System fragte dieses die Kassiererin – anders als sonst – nicht, ob die Eingabe aufgrund telefonischer Anfrage erfolgte.

Kassiererin durfte von Richtigkeit der Anrufe ausgehen

Nach den zwei angeblich von der Telefongesellschaft und des Systembetreibers der Tankstelle erfolgten Anrufen durfte die Kassiererin davon ausgehen, dass alles seine Richtigkeit hatte. Selbst wenn generell eine Herausgabe der Codes der Telefonkarten auf telefonische Anweisung nicht erfolgen sollte. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig.

Hintergrund

Spoofing (englisch für Manipulation, Verschleierung oder Vortäuschung) nennt man in der Informationstechnik verschiedene Täuschungsmethoden in Computernetzwerken zur Verschleierung der eigenen Identität. Personen werden in diesem Zusammenhang auch gelegentlich als »Spoofer« bezeichnet (Quelle: Wikipedia).

© bund-verlag.de (ls)

 

Quelle

LAG Düsseldorf (29.08.2017)
Aktenzeichen 14 Sa 334/17
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