Abmahnung

Die gelbe Karte im Job

03. August 2017
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Quelle: © akf / Foto Dollar Club

Gerüchte über Abmahnungen verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Wurde der Kollege wirklich hart abgemahnt oder nur ermahnt? Und wie kann er sich dagegen wehren? Antworten gibt Fachanwalt Javier Davila Cano in der   »Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB) 7-8/2017. Zum vertieften Nachlesen empfehlen wir unseren »Ratgeber Abmahnung« von Ariane Mandalka.


Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt eine Abmahnung vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel beanstandet, ihn an seine vertraglichen Pflichten erinnert und vor Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis bei weiterem Fehlverhalten warnt, indem er darauf hinweist, dass im Wiederholungsfalle Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sind. Vereinfacht gesagt muss der Arbeitnehmer darauf hingewiesen werden, dass er etwas „falsch“ gemacht hat, – wobei der Arbeitgeber sehr konkret angeben muss, was genau der Arbeitnehmer falsch gemacht haben soll – wie er es hätte richtiger/besser machen können und sollen/müssen und dass er im Wiederholungsfall damit rechnen muss, gekündigt zu werden.

Fehlt die Androhung der Kündigung, so sprechen die Arbeitsrechtswissenschaftler nicht von einer kündigungsrelevanten Abmahnung, sondern von einer bloßen Ermahnung, die als Vertragsrüge, Verwarnung oder Beanstandung zu verstehen ist. Eine solche Ermahnung stellt gegenüber der Abmahnung ein milderes Mittel der Reaktion des Arbeitgebers auf eine Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers dar.

Anlass für eine Abmahnung

Grundsätzlich kann jeder Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertraglichen und gesetzlichen Haupt- und/oder Nebenpflichten zu einer Abmahnung führen. Voraussetzung ist jedoch stets, dass es eine Pflicht gibt, gegen die der Arbeitnehmer verstoßen hat. Beispielweise hat man die Pflicht, pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen. Kommt man zu spät zur Arbeit, liegt ein Fehlverhalten vor, das den Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, den Arbeitnehmer abzumahnen. Verbietet der Arbeitgeber beispielsweise allgemein das Trinken am Arbeitsplatz, kann er einen Arbeitnehmer, den er mit einem Getränk am Arbeitsplatz antrifft, abmahnen, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer das Getränk nicht verschüttet hat und keinen Schaden angerichtet hat.

Wann ist eine Abmahnung rechtswidrig?

Eine Abmahnung ist rechtswidrig, wenn der Arbeitgeber von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgeht – zum Beispiel, wenn die vom Arbeitgeber angenommene Pflichtverletzung der Sache nach zwar abmahnungswürdig ist, der Arbeitnehmer aber diese Pflichtverletzung nicht begangen hat. Das ist etwa der Fall, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer A vorwirft, Ware beschädigt zu haben, obwohl in Wirklichkeit der Arbeitnehmer B die Ware beschädigt hatte.

Die Rechtswidrigkeit einer Abmahnung kann aber auch auf einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung des Verhaltens des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber beruhen. Das wäre dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer das beanstandete Verhalten zwar nachweisbar begangen hat, dieses aber entgegen der Auffassung des Arbeitgebers vertragsgemäß ist. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, der um 9:00 Uhr zur Arbeit kommt, mit der Begründung abmahnt, er sei zu spät gekommen, weil er um 8:00 Uhr hätte anfangen müssen. Der Arbeitnehmer hat aber eine Gleitzeitvereinbarung, wonach er berechtigt ist, zwischen 8:00 Uhr und 9:30 Uhr seine Arbeit aufzunehmen.

Die Rechtswidrigkeit einer Abmahnung kann aber auch aus rein formellen Gründen in Betracht kommen. Der Inhalt einer Abmahnung folgt aus ihrer Funktion. Der Betroffene muss der Abmahnung zweifelsfrei entnehmen können, was ihm vorgeworfen wird, wie er sein Verhalten in Zukunft einzurichten hat und welche Sanktionen ihm drohen, wenn er sich nicht entsprechend verhält. Der Arbeitgeber muss den gerügten Vorfall einzeln konkret mit Datum und gegegebenfalls der Uhrzeit schildern. Denn nur so kann sich der Arbeitnehmer gegen unberechtigte Vorwürfe substantiiert zur Wehr setzen. Gibt der Arbeitgeber nur pauschal an, „wir mahnen Sie ab, weil Sie zu spät zur Arbeit gekommen sind“, ist die Abmahnung nicht hinreichend konkret und damit unwirksam.

Wie können Beschäftigte sich wehren?

Hat ein Beschäftigter eine Abmahnung erhalten und will diese nicht tatenlos hinnehmen, gibt es mehrere Reaktionsmöglichkeiten und –stufen. Die mildeste Reaktionsmöglichkeit ist das Erstellen einer sogenannten „Gegendarstellung“. Der Arbeitnehmer schreibt dem Arbeitgeber seine Sicht der Dinge auf und erläutert, weshalb die Abmahnung zu Unrecht erteilt wurde. Entscheidet man sich für eine Gegendarstellung, sollte man darauf bestehen, dass die Gegendarstellung ebenfalls zur Personalakte genommen wird. Es empfiehlt sich auch, nach einer gewissen Zeit, Einblick in die Personalakte zu nehmen, um zu prüfen, ob die Abmahnung und die Gegendarstellung tatsächlich zur Personalakte genommen wurden.

Im Falle einer aus Arbeitnehmersicht unberechtigten Abmahnung kann der Arbeitnehmer sich auch durch Erhebung einer Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zur Wehr setzen. Der Prozess auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte dauert im Regelfall circa vier bis sechs Monate. Das Gericht prüft, ob die Abmahnung berechtigt ist und gibt – im Falle ihrer Unwirksamkeit – dem Arbeitgeber auf, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrheit der in der Abmahnung aufgestellten Tatsachenbehauptungen trägt der Arbeitgeber.

Wirft der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer beispielsweise vor, zu spät zur Arbeit gekommen zu sein, muss der Arbeitgeber die Verspätung bei Gericht beweisen. Beruft sich der Arbeitnehmer auf einen Rechtfertigungsgrund, beispielsweise, dass er mit Zustimmung seines Vorgesetzten, seine Arbeit später aufnehmen durfte, muss der Arbeitnehmer bei Gericht darlegen und beweisen, dass er diese Zustimmung tatsächlich hatte.

Mehr Informationen und ob der Betriebsrat bei der Abmahnung vergleichbar einer Kündigung angehört werden muss, lesen Sie in dem Beitrag „Risiken und Nebenwirkungen“ in der AiB 7-8/2017, S. 37. Noch kein Abonnent der »Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB)? Jetzt zwei Ausgaben kostenfrei testen!

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