Kündigungsschutz

Änderungskündigung eines Betriebsratsmitglieds

26. August 2016
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Quelle: © Marco2811 / Foto Dollar Club

Arbeitgeber können Betriebsratsmitgliedern nur außerordentlich, das heißt aus wichtigem Grund, kündigen. Was aber, wenn der Arbeitgeber wegen Umstrukturierung eine außerordentliche Änderungskündigung ausspricht? Kann der Betriebsrat die eigenen Mitglieder schützen? Und wie sieht es bei einer Versetzung aus? Die  »Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB) 9/2016 hat den Experten Marc-Oliver Schulze gefragt.

Kommt es oft vor, dass Betriebsratsmitglieder von Änderungskündigungen betroffen sind?

Änderungskündigungen von Betriebsrats-Mitgliedern sind für den Arbeitgeber schwer durchzusetzen, da auch hier der besondere Kündigungsschutz des § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eingreift. Grundsätzlich können Betriebsratsmitglieder nur außerordentlich, das heißt aus wichtigem Grund, gekündigt werden. Wenn der Betriebsrat einer Kündigung nicht zustimmt, muss der Arbeitgeber sich die Zustimmung vor dem Arbeitsgericht ersetzen lassen. Das kann einige Zeit in Anspruch nehmen, weshalb viele Arbeitgeber – zu Recht – davor zurückschrecken. Es wird deshalb häufig zunächst nur gedroht damit und die Ankündigung einer Änderungskündigung als Druckmittel eingesetzt. Davon sollte sich aber kein Betreibsrat beeindrucken lassen!

Gilt der Schutz auch für Versetzungen?

Ja, auch hier muss das Gremium im Vorfeld zustimmen, soweit das betroffene Mitglied mit der Versetzung nicht einverstanden ist. Damit soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber mit der Folge eines Amtsverlustes unliebsame Betriebsräte in eine andere Stadt oder einen weit entfernten Betrieb versetzen kann.

In welchen Situationen können Änderungskündigungen ausgesprochen werden?

Eine Änderungskündigung kommt in Betracht, wenn Umstrukturierungsmaßnahmen vorgenommen werden und dadurch der Arbeitsplatz eines Betriebsratsmtglieds tatsächlich entfällt. Kann der Arbeitgeber das betroffene Mitglied nicht im Rahmen seines Direktionsrechtes in eine andere Abteilung oder einen anderen Betriebsteil versetzen, ist eine Änderungskündigung möglich. Wenn ansonsten eine Beendigungskündigung erfolgen würde, müsste sogar – als milderes Mittel – eine solche ausgesprochen werden. Da der Arbeitgeber aufgrund des bestehenden Sonderkündigungsschutzes nur außerordentlich kündigen darf, wird in bestimmten Sonderkonstellationen auch eine außerordentliche Änderungskündigung anerkannt. Entfällt etwa aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung zur Umstrukturierung eine komplette Hierarchieebene, so kann dies ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Änderungskündigung eines bisher in dieser Führungsebene beschäftigten Betriebsratsmitglieds sein.
  • Wichtig zu wissen: Der Kündigungsschutz wird eingeschränkt bei Abteilungs- beziehungsweise Betriebsstilllegungen. In diesen Fällen lässt das Gesetz auch eine ordentliche Änderungskündigung des betroffenen Betriebsratsmitglieds zu.

In welcher Form muss der Betriebsrat bei Änderungskündigungen beteiligt werden?

Gerade bei dem Wegfall von Hierarchieebenen wird der Arbeitgeber eine außerordentliche Änderungskündigung aussprechen müssen, so dass die vorherige Zustimmung des Betriebsrats zwingend erforderlich ist. Bei einer ordentlichen Änderungskündigung ist der Betriebsrat dagegen »nur« nach § 102 BetrVG anzuhören. Dabei wird oft übersehen, dass der Betriebsrat zusätzlich auch nach § 99 BetrVG angehört werden muss, da mit einer Änderungskündigung regelmäßig eine Versetzung und/oder Änderung der Eingruppierung iSd § 99 BetrVG verbunden sein wird.

Was kann dem betroffenen Mitglied geraten werden?

Die Hürden für den Arbeitgeber sind hoch, Betriebsratsmitglieder können sich deshalb regelmäßig erfolgreich wehren. Der betroffenen Kollegin oder dem Kollegen ist zu empfehlen, sich gewerkschaftlich oder anwaltlich beraten zu lassen. Sofern bereits eine Änderungskündigung ausgesprochen wurde, müssen die kurzen Fristen des Kündigungsschutzgesetzes beachtet werden. Eine (Änderungs-) Kündigungsschutzklage kann wie bei der normalen Beendigungskündigung nur innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden. Zuvor muss geklärt werden, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen (unter Vorbehalt) angenommen wird.
  • Wichtig ist: Die Weichen werden bereits im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG gestellt. In diesem Verfahren ist auch das betroffene Betriebrsats-Mitglied beteiligt.

Wie sollte das Betriebsratsgremium vorgehen, um das betroffene Mitglied zu schützen?

Im Regelfall sollte das Gremium die Zustimmung zur außerordentlichen Änderungskündigung verweigern. Der Arbeitgeber muss die Zustimmung dann gerichtlich ersetzen lassen. Das kostet Zeit und kann ein taktisches Mittel sein, um die Vergleichsbereitschaft des Arbeitgebers zu fördern. Ist eine ordentliche Änderungskündigung möglich, ist der Betriebsrat lediglich nach § 102 BetrVG anzuhören. Hier sollte er dann – wenn die Gründe des § 102 Abs. 3 BetrVG gegeben sind – der Kündigung widersprechen. Und immer sollte geprüft werden, ob die behaupteten Gründe vorliegen oder nicht nur vorgeschoben sind, um ein Betriebsrat-Mitglied auf das Abstellgleis zu bringen. Dann kann auch eine Behinderung der Betriebsratsarbeit vorliegen, gegen die der Betriebsrat vorgehen muss.

Kann der Betriebsrat als Gremium von vornherein verhindern, dass der Arbeitgeber Änderungskündigungen ausspricht?

Eine Patentlösung als Schutz vor Änderungskündigungen gibt es nicht. Solange aber der Betriebsrat dem Ansinnen des Arbeitgebers entgegentritt und beabsichtigten Änderungskündigungen regelmäßig widerspricht, wird der Arbeitgeber sehr schnell die Lust an diesem Gestaltungsmittel verlieren. Der Interviewpartner: Marc-Oliver Schulze, Fachanwalt für Arbeitsrecht, AfA Rechtsanwälte, Nürnberg. www.afa-anwalt.de  

Quelle:

»Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB), Ausgabe 9/2016, S. 20 f.

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