Betriebsratssprechstunde

Arbeitnehmer fragen – Betriebsräte antworten

23. September 2016
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Quelle: Bund-Verlag

Im Betrieb ist der Betriebsrat die erste Anlaufstelle für die Fragen zum Arbeitsrecht. Was soll der Betriebsrat einem abgemahnten Arbeitnehmer raten? Müssen Beschäftigte die vom Chef angeordneten Überstunden wirklich ableisten? Der Betriebsrat sollte Bescheid wissen. Im Interview gibt Dr. Ewald Helml, Autor des Ratgebers  »Arbeitnehmer fragen – Betriebsräte antworten« , die Antworten und verrät die wichtigsten Themen der Betriebsratssprechstunde.

Was sind die häufigsten Themen, mit denen Betriebsräte in der Sprechstunde zu tun haben? Wo liegen die Schwierigkeiten für Betriebsräte?

In den Sprechstunden des Betriebsrats wird es »was die Praxis bestätigt« die vielfältigsten Fragen zum Arbeitsrecht geben, bei denen sich die Arbeitnehmer nicht so auskennen. Nach wie vor ist die Frage der Vertragsgestaltung des Arbeitsvertrags und die Kontrolle dessen, was der Arbeitgeber regelmäßig vorgibt, von erheblicher Bedeutung.


  • Wann kann der Umfang der Arbeitsleistung über das Direktionsrecht geändert werden?
  • Wann muss der Arbeitnehmer mit einer Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz rechnen?
  • Was kann bei Sonderzahlungen – insbesondere bei Graktifikationen – geregelt werden?
  • Können gleichzeitig ein Freiwilligkeits und ein Widerrufsvorbehalt bei einer Sonderzahlung vorgegeben werden?

Auch im Urlaubsrecht gibt es nach wie vor aktuelle Fragen: Hat der Arbeitnehmer nach längerer Krankheit bis zum 31.3. des übernächsten Jahres nur den gesetzlichen Mindesturlaub oder auch den tariflichen oder den im Arbeitsvertrag vereinbarten?

Auch Fragen der Rechtswirksamkeit von Zeit- und Sachgrundbefristungen werden immer wieder an den Betriebsrat gerichtet. Ebenso konkrete Fragen zu den einzelnen Kündigungsarten, wenn der Arbeitnehmer gekündigt wird oder mitbekommt, dass ihm demnächst eine Kündigung zugeht.

Betriebsräte sollten auf all diese Fragen kompetente Auskünfte geben können, was nicht immer ganz einfach ist. Vor allem dann, wenn ein Arbeitnehmer keinen Rechtsschutz hat, erwartet er vom Betriebsrat eine Klärung der Fragen.

Worüber wird im Arbeitsverhältnis am meisten gestritten?

Die meisten Streitigkeiten entstehen über Kündigungen, Befristungen und bei Zahlungsansprüchen. Bei Kündigungen ist vor allem – wenn sich eine Vertragspflichtverletzung durch den Arbeitnehmer ereignet hat – von Bedeutung, ob der Vorfall für eine außerordentliche Kündigung ausreicht oder »nur« für eine ordentliche. Bei den betriebsbedingten Gründen geht es meist darum, ob es tatsächlich richtig ist, dass der Arbeitsplatz weggefallen ist und möglicherweise darum, ob die Sozialauswahl richtig vorgenommen wurde. Bei krankheitsbedingten Kündigungen ist die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements oft von zentraler Bedeutung. Sie ist zwar keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung, wenn dies der Arbeitgeber allerdings unterlässt, kann er aber große Probleme im Prozess bekommen.

Gerade die Abmahnung ist ein heikles Thema. Was sind hierbei die wichtigsten Punkte, die der Arbeitnehmer beachten muss? Was kann der Betriebsrat einem abgemahnten Arbeitnehmer raten?

Wenn es um die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Abmahnung geht sollte der Arbeitnehmer über zwei Punkte Bescheid wissen:

  1. Ist der abgemahnte Vorfall tatsächlich so gravierend, dass er eine Abmahnung rechtfertigt
  2. und stimmt es tatsächlich, was der Arbeitgeber in der Abmahnung dem Arbeitnehmer vorwirft.

Von Bedeutung ist auch ob die Abmahnung mit oder ohne Kündigungsandrohung bei möglichen weiteren Vertragsverstößen ausspricht. Nur nach einer Abmahnung mit Kündigungsandrohung, die einen hinreichend schweren Fall einer Pflichtverletzung betrifft, kann der Arbeitgeber bei einer späteren gleichartigen Pflichtwidrigkeit des Arbeitnehmers kündigen. Nach diesen Kriterien sollte der Betriebsrat dem Arbeitnehmer möglicherweise empfehlen, gegen die Abmahnung gerichtlich vorzugehen: wenn sie einen Vorfall betrifft, der von der Schwere her gesehen eine spätere Kündigung nicht rechtfertigen könnte, aber trotzdem eine Kündigung angedroht wurde. Dem Arbeitnehmer sollte aber auch mitgeteilt werden, dass keine Pflicht besteht, eine möglicherweise unwirksame Abmahnung sofort anzugreifen. Die Überprüfung der Abmahung kann auch im Rahmen einer späteren Kündigungsschutzklage erfolgen.

Ein Arbeitnehmer kommt zum Betriebsrat, weil der Chef Überstunden angeordnet hat. Er möchte jetzt wissen, ob er verpflichtet ist, diese Überstunden zu leisten. Was kann der Betriebsrat ihm antworten?

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber berechtigt, bei betrieblicher Notwendigkeit Überstunden anzuordnen. Geht es um einige oder viele betroffene Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber vorher die Zustimmung des Betriebsrats einholen. Klar muss auch sein, dass die Überstunden entweder vergütet werden oder dem Arbeitskonto des Arbeitnehmers gutgeschrieben werden, so dass sie später durch Freizeit ausgeglichen werden können. Der Arbeitgeber hat darauf zu achten, dass die Überstunden gleichmäßig auf die in Betracht kommenden Arbeitnehmer verteilt werden und nicht einige Beschäftigte übermäßig belastet werden.

Wenn der Arbeitnehmer berechtigterweise vom Arbeitgeber angeordnete Überstunden verweigert muss er damit rechnen, dass dies der Arbeitgeber als eine Vertragspflichtverletzung wertet. Das kann zu einer Abmahnung und im Widerholungsfall zur Kündigung führen kann. Dies ist allerdings dann nicht so, wenn die Anordnung unbillig sein sollte, also beispielsweise ohne sachliche Gründe immer nur bestimmte Arbeitnehmer diese Anordnung bekommen und andere nicht.

Der Interviewpartner:

Dr. Ewald Helml,
Direktor des Arbeitsgerichts Rosenheim und Vizepräsident der Deutsch-Österreichischen Juristenvereinigung.

 

 

 

  © bund-verlag.de (ls)

 

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