Industrie 4.0

Arbeitsrecht der Zukunft

13. Juli 2017
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Quelle: fotohansel_Dollarphotoclub

Das digitale Zeitalter stellt auch das Arbeitsrecht vor Herausforderungen. Auf dem 31. Passauer Arbeitsrechts-Symposium haben Experten ausgelotet, wie sich Vernetzung, mobile Arbeit und Crowdworking auf Arbeitsplätze, Datenschutz und Mitbestimmung auswirken. Ihr Fazit: Betriebsräte sind wichtiger denn je!

Inzwischen kennt fast jede/r das Schlagwort Industrie 4.0, die 4. Revolution in der Industrie, die nach der Mechanisierung, der Industrialisierung und schließlich der Automatisierung nun durch das Internet und die Globalisierung nach und nach Einzug in die Betriebe hält. Wer sich damit beschäftigt hat, weiß, dass dies auch die Arbeitsverhältnisse einer großen Anzahl von Menschen in naher Zukunft verändern wird.

Aussicht auf Mitbestimmung 4.0

Im 31. Passauer Arbeitsrechtssymposium, das vom 22.-23.06.2017 stattfand, stellten sich sieben Experten aus Wissenschaft, Gewerkschaft, Anwalts- und Richterschaft den sich daraus ergebenden Fragen. Das Thema der sieben Referate und der anschließenden Podiumsdiskussion war »Mitbestimmung 4.0« .Stichworte beim Aufeinandertreffen von Industrie 4.0 auf Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung sind: Homeoffice (Arbeiten von zu Hause), Mobile Working (arbeiten mit Tabletts, Smartphone), Crowdworking (Stichwort: Fremdvergabe von Tätigkeiten über Internetplattformen) sowie agile Projektarbeit (Stichwort: selbstorganisiertes Arbeiten).  Das sind neue Arbeitsformen, die einerseits Flexibilität für die Arbeitnehmer bei Arbeitszeit und beim Arbeitsort mit sich bringen können, während sich die Arbeitgeber davon bessere Maschinenlaufzeiten, Einsparung von Personal durch Roboter oder durch Vergabe von Arbeiten über das Internet versprechen. (Lesetipp: »Homeoffice – Segen oder Fluch?« von Peter Voigt in Arbeitsrecht im Betrieb 3/2017, S. 16-19.)

Herausforderungen für Betriebsräte

Bereits daraus ist ersichtlich, dass die massiven Veränderungen, die dadurch zu erwarten sind, die Betriebsräte ebenso massiv fordern werden: Neben den bekannten Schauplätzen der Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsräten bei Beschäftigungssicherung, Arbeitsverdichtung und Arbeits- und Gesundheitsschutz wird es neue Streitfelder geben: Veränderung von Arbeitszeitmodellen  und Arbeitsweisen (Stichworte: ständige Erreichbarkeit, Einhaltung von Ruhezeiten, geteilte Arbeitszeiten; virtuelle Unternehmensnetzwerke, Matrixorganisation); Qualifizierung (Stichworte: digitalisierte Fabrik) und nicht zuletzt wird das Thema Beschäftigtendatenschutz die Betriebsräte immer mehr fordern (Lesetipp: »Industrie 4.0 rechtzeitig erkennen« von Marcus Schwarzbach in Arbeitsrecht im Betrieb 7-8/2016, S. 21-24).

Deregulierung als Risiko für Mitbestimmung

Während die Gewerkschaften (Dr. Thomas Klebe, Hugo-Sinzheimer-Institut) und die vertretene Richterschaft (Dr. Mario Eylert, Richter am Bundesarbeitsgericht) in den neuen Fragestellungen eine große Herausforderung der Betriebsräte sehen, sieht der Unternehmensberater (Prof. Jobst-Hubertus Bauer, Rechtsanwälte Gleiss Lutz Stuttgart) eine Lösung der anstehenden Fragen eher in der Notwendigkeit einer Entbürokratisierung und Deregulierung. Entsprechend schwierig und konstruiert gestaltet sich auch die Begründung für Letzteres: Das Niveau der deutschen Mitbestimmung sei weltweit spitze und deshalb isoliert, deshalb sei dies ein Standortnachteil, aber letztlich nur ein geringer. Immerhin leistet sie auch nach Ansicht von Prof. Bauer einen wesentlichen Beitrag zum sozialen Frieden. (Lesetipp: »Interessenvertretung kann Industrie 4.0« von Klaus Heimann in Arbeitsrecht im Betrieb 3/2017, S. 29-32.)

Betriebsräte sind und bleiben wichtig

Insbesondere Dr. Klebe und Dr. Eylert wiesen demgegenüber zu Recht darauf hin, dass es angesichts komplexer und komplizierterer neuer Arbeitsformen auch weiterhin Sache der Betriebsräte sein wird, daran mitzuwirken, den Arbeits- und Gesundheitsschutz einschließlich der Arbeitszeiten zu verbessern wie auch den Datenschutz und die Qualifizierung der Beschäftigten in Zeiten eines kulturellen Wandels zu sichern und letztlich auch Antworten auf die Fragen zu finden: Was ist eigentlich »Arbeit«? Wie erhalte ich den Beschäftigten Freiräume zur Gestaltung des Privatlebens? Und wie können sie vor Überforderung und Datenmissbrauch wirksam geschützt werden?

(Lesetipp: »Zeit zu handeln« (Europäischer Datenschutz) von Prof. Peter Wedde in Arbeitsrecht im Betrieb 7-8/2017, S. 24-28).

Ein Gastbeitrag von Thomas Hess, IG Metall Vorstand, Justitiariat, Frankfurt am Main.

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