Behinderung

DGB fordert Nachbesserung beim Bundesteilhabegesetz

02. November 2016
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Quelle: © Peter Atkins / Foto Dollar Club

Das neue Bundesteilhabegesetz soll die Situation von Menschen mit Behinderung verbessern. Doch was bewirkt es wirklich? Das Gesetz bringe eher Nachteile für behinderte Menschen – so der DGB. Viele Anspruchsberechtigte drohen aus dem System zu fallen. Das sei inakzeptabel. Mindestens 6 Punkte müssen sich gesetzlich ändern.

Das Bündnis aus Deutschem Behindertenrat, Fach- und Wohlfahrtsverbänden sowie Deutschem Gewerkschaftsbund fordert dringend Nachbesserung beim geplanten Bundesteilhabe- und im Pflegestärkungsgesetz. Das sind die 6 Haupt-Kritikpunkte an den derzeitigen Gesetzesentwürfen:

1. Bisherige Anspruchsberechtigte fallen aus dem System

Viele bisher Anspruchsberechtigte drohten aus dem System zu fallen, wenn künftig dauerhafter Unterstützungsbedarf in fünf von neun Lebensbereichen nachgewiesen werden müsse. Die neu vorgesehene »Kann-Regelung«, nach der auch Personen unterhalb der »5 von 9-Schwelle« leistungsberechtigt sein können, sei nicht ausreichend. Denn sie begründe keinen Rechtsanspruch für Betroffene und bleibe sogar hinter der bisherigen Ermessensregelung zurück. Das Verbändebündnis fordert daher, auf die Einschränkung des Personenkreises in § 99 SGB IX – neue Fassung – zu verzichten.

2. Unvertretbare Leistungseinschränkungen

Das Bedarfsdeckungsprinzip müsse in der reformierten Eingliederungshilfe fortgelten. Bisher fehle eine solche ausdrückliche Klarstellung im Gesetz, hier müsse der Gesetzgeber nachbessern. Die Aufgabe der Eingliederungshilfe müsse an den rehabilitativen Zielen des SGB IX ausgerichtet bleiben. Es könne nicht sein, dass Eingliederungshilfe, insbesondere im Rahmen der Leistungen zur sozialen Teilhabe, künftig Leistungen versagt, die darauf abzielen, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern.

Die freie Wahl der Wohnform für behinderten Menschen würde durch das Pflegestärkungsgesetz III eingeschränkt. Für behinderte Menschen in bestimmten Formen des betreuten Wohnens würde der Anspruch auf Pflegeversicherungsleistungen erstmals gedeckelt. Diese Verschlechterungen seien inakzeptabel und müssten dringend behoben werden.

Der Grundsatz »ambulant vor stationär«, der bislang im SGB XII gilt, müsse seiner Zielsetzung nach ins SGB IX übernommen werden, um das Recht auf eine eigene Häuslichkeit für behinderte Menschen abzusichern.

3. Bei Einkommens- und Vermögensanrechnung muss nachgebessert werden

Unterstützung wegen einer Behinderung müsse als Nachteilsausgleich im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention ausgestaltet sein und deshalb unabhängig von Einkommen und Vermögen geleistet werden. Die Freistellungsgrenzen beim Einkommen müssten deutlich angehoben werden, damit niemand schlechter steht als heute. Mehrfachanrechnungen von Einkommen bzw. Vermögen, z. B. in unterschiedlichen Leistungssystemen, dürfe es für Eingliederungshilfeberechtigte nicht geben. 4.  Vorrang der Pflege vor der Eingliederungshilfe ist inakzeptabel Eingliederungshilfe sei eine Rehabilitationsleistung. Auch für sie müsse der Grundsatz »Reha vor und bei Pflege« gelten. Deshalb lehnt das Bündnis den beabsichtigten Vorrang der Pflege vor Eingliederungshilfe mit Nachdruck ab. Behinderte Menschen mit Pflegebedarf bräuchten beides: Eingliederungshilfe und Pflege. Sie dürften nicht aus der – weiterreichenden – Eingliederungshilfe herausgedrängt werden.

5. Teilhabe am Arbeitsleben

Positive Ansätze sehen die Verbände im Gesetzentwurf des Bundesteilhabegesetzes in Bezug auf Flexibilisierung der Teilhabe am Arbeitsleben für Werkstattbeschäftigte, die Mitbestimmung von Werkstatträten und die Frauenbeauftragten in Werkstätten. Auch im Hinblick auf die Teilhabe am Arbeitsleben sieht der Verband Verbesserungen im Recht der Schwerbehindertenvertretungen (SBV). Es fehle jedoch weiterhin eine Regelung, wonach Entscheidungen von Unternehmen, die Wirkung für schwerbehinderte Beschäftigte haben, aber ohne gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung der SBV getroffen wurden, erst wirksam werden, wenn die Beteiligung nachgeholt wurde. Auch fehle eine Anhebung der Ausgleichsabgabe für die 39.000 Unternehmen in Deutschland, die trotz Gesetzespflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen.

6. Keine Leistungslücken zulasten von behinderten Menschen

Die geplante Trennung von existenzsichernden Leistungen und Teilhabeleistungen dürfe nicht zu Leistungslücken zulasten der behinderten Menschen führen. Kosten der Unterkunft und des Lebensunterhalts seien weiter umfassend zu finanzieren – unabhängig vom Lebensort. Der Verband fordert daher auskömmliche Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung.

Nähere Informationen zu den Kritikpunkten und Forderungen lesen Sie im Aufruf des Verbändebündnisses: »Nachbesserung jetzt erst recht!«

Lesetipp der Online-Redaktion: Bundesteilhabegesetz – »Wir haben mehr erwartet«

Quelle:

PM des DGB vom 20.10.2016; Aufruf des Verbändebündnisses vom 18.10.2016: »Nachbesserung jetzt erst recht!« © bund-verlag.de (ls)

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