Arbeitszeit

Umkleiden in der Klinik ist keine Arbeitszeit

16. August 2016
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Quelle: drubig photo_Dollarphotoclub

Das An- und Ablegen der durch eine Dienstvereinbarung vorgeschriebenen weißen Dienstkleidung eines Krankenpflegers ist nicht zwingend eine vergütungspflichtige Arbeitszeit. Entscheidend ist, ob das Umkleiden auch zu Hause möglich wäre, so das LAG Niedersachsen.


In dem Fall ging es um die regelmäßig auftretende Streitfrage, ob Klinikpersonal einen Anspruch auf bezahlte Umkleidezeiten hat. Das gilt nur in Ausnahmefällen, hat das LAG jetzt klargestellt. Geklagt hatte ein Krankenpfleger und Mitglied des Betriebsrats einer Klinik, bei der rund 300 Pflegekräfte angestellt sind. Er forderte vom Arbeitgeber Vergütung für Zeiten, in denen er seine weiße Pfleger-Kleidung an- und ablegen muss. Diese ist durch eine »Dienstvereinbarung über das Tragen von Dienst- und Schutzkleidung im Kreiskrankenhaus« vom 05.07.1995 vorgeschrieben. Darin heißt es unter anderem: »Jede/r Beschäftigte ist verpflichtet während des Dienstes die entsprechende Dienstkleidung zu tragen.«

Dienstvereinbarung sorgt nicht automatisch für bezahlte Umkleidezeiten

Daraus folge allerdings nicht zwingend ein Anspruch auf eine Vergütung für die Umkleidezeiten. Und eine eindeutige gesetzliche Rechtsgrundlage sei nicht vorhanden, so das Gericht. Auch die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Kriterien über die Fremdnützigkeit ließen keine Beurteilung der Umkleidezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Krankenhausbereich (BAG 19.09.2012, 5 AZR 678/11), die in diesen Fällen oft herangezogen werde, hatte einen etwas anders gelagerten Sachverhalt als Grundlage, führt das LAG aus. Denn hier ging es um eine erforderliche Schutzkleidung für den OP-Bereich, die nur vor Ort in der Klinik angelegt werden darf, um die Hygienevorschriften einzuhalten.

Anlegen der Dienstkleidung nicht fremdnützig

Im Urteil heißt es: »Daraus ergibt sich im Gegenzug, dass die für einen großen Teil aller Gesundheitsberufe typische weiße Dienstkleidung nicht nach denselben Kriterien zu beurteilen ist wie eine echte Schutzkleidung. Eine Fremdnützigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich zunächst nicht aus dem äußeren Erscheinungsbild der Kleidung. Zwar kann man eine rein weiße Dienstkleidung im öffentlichen Straßenbild durchaus als auffällig bezeichnen. Da die weiße Berufskleidung aber auch etwa bei Apothekern, Physiotherapeuten und privaten Arztpraxen usw. üblich ist, lässt sich eine Zuordnung zu einem bestimmten Berufsbild oder einem bestimmten Arbeitgeber daran nicht festmachen. Unstrittig sind weder eine besondere farbliche Gestaltung noch etwa Namenszüge auf der Dienstkleidung angebracht.«

Anders als der klagende Krankenpfleger sah das Gericht in der weißen Dienstkleidung auch keinen »wesentlichen Baustein im Gesamtkonzept der Krankenhaushygiene«, der ein Wechseln der Kleidung ausschließlich im Krankenhaus selbst rechtlich gebieten würde. In Sachen Hygiene sei die Kleidung weniger problematisch als beispielsweise die Hände oder die Haut der Pflegekräfte – die Kleidung müsse also nicht zwingend in der Klinik angelegt werden.

Außerdem sei »das Tragen der Berufskleidung auch dem Kläger nützlich, weil er dadurch Kosten und Zeitaufwand für Reinigung und Verschleiß der persönlichen Kleidung erspart.«

Wichtig: Der Pfleger konnte nicht nachweisen, dass es unmöglich war (rechtlich oder tatsächlich), sich erst nach dem eigentlichen Dienstbeginn – also während der bezahlten Arbeitszeit – umzuziehen. Dieser Nachweis hätte die Entscheidung möglicherweise beeinflusst, wie zwischen den Zeilen zu lesen ist, was das Gericht aber letztlich offen lässt.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht ist zugelassen, so dass der Fall noch höchstrichterlich entschieden werden könnte. © bund-verlag.de (mst)

Lesetipp der Online-Redaktion:

»Der DGB Rechtsschutz kommentiert: Anlegen von Schutzkleidung zählt als Arbeitszeit«  

Quelle

Landesarbeitsgericht Niedersachsen (03.05.2016)
Aktenzeichen 11 Sa 1007/15
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