Religionsfreiheit

Kopftuchverbot nicht immer zulässig

09. Dezember 2016
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Quelle: www.pixabay.com/de

Verbietet eine kommunale Kindertagesstätte einer muslimischen Erzieherin, ein Kopftuch zu tragen, verstößt die Kita damit gegen das Grundgesetz. Denn diese arbeitsrechtliche Sanktionierung verletzt die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Erzieherin – so das Bundesverfassungsgericht.

Mit der Entscheidung hat das BVerfG klargestellt, dass § 7 Abs. 8 Satz 1 KiTaG BW 2009 einer einschränkenden verfassungskonformen Auslegung bedarf. Die Erzieherin hatte sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde sowohl gegen die Abmahnung des Arbeitgebers gewandt, die sie wegen des Kopftuchs erhalten hatte, als auch gegen die Entscheidungen der Arbeitsgerichte zur Abmahnung.

Abmahnung als Beschwerdegegenstand ungeeignet

Das BVerfG stellte klar, dass die Abmahnung an sich – selbst wenn sie von einem kommunalen Arbeitgeber ausgesprochen wird – kein Akt staatlicher Gewalt ist, gegen den sich eine Verfassungsbeschwerde richten könne. Die im Übrigen zulässige Verfassungsbeschwerde war allerdings weitgehend begründet.

Entscheidungen der Arbeitsgerichte verstoßen gegen Grundrechte

Das bedeutet, dass die Auslegung des § 7 Abs. 6 Satz 1 KiTaG a.F. (jetzt: § 7 Abs. 8 Satz 1 KiTaG), wie sie im arbeitsrechtlichen Verfahren vorgenommen wurde, nicht verfassungsgemäß war. Die Arbeitsgerichte durften laut BVerfG keine abstrakte Gefährdung für die in der Norm aufgeführten Rechtsgüter genügen lassen. In dem Beschluss heißt es, dass eine einschränkende Auslegung nötig sei: »Hierfür ist das Merkmal der Eignung, den Einrichtungsfrieden oder die Neutralität des öffentlichen Einrichtungsträgers zu gefährden oder zu stören, dahin einzuschränken, dass von der äußeren religiösen Bekundung nicht nur eine abstrakte, sondern eine hinreichend konkrete Gefahr für die dort genannten Schutzgüter ausgehen muss. Das Vorliegen der konkreten Gefahr ist zu belegen und zu begründen. Allein das Tragen eines „islamischen Kopftuchs“ begründet eine hinreichend konkrete Gefahr auch im Kindergartenbereich im Regelfall nicht. Denn vom Tragen einer solchen Kopfbedeckung geht für sich genommen noch kein werbender oder gar missionierender Effekt aus. Ein "islamisches Kopftuch" ist in Deutschland nicht unüblich, sondern spiegelt sich im gesellschaftlichen Alltag vielfach wieder. Die bloß visuelle Wahrnehmbarkeit ist in Kindertagesstätten als Folge individueller Grundrechtsausübung ebenso hinzunehmen, wie auch sonst grundsätzlich kein verfassungsrechtlicher Anspruch darauf besteht, von der Wahrnehmung anderer religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse verschont zu bleiben.«

Einschränkende Auslegung erforderlich

Der einschränkenden Auslegung stehe auch nicht entgegen, dass dem Gesetzgeber entstehungsgeschichtlich ein Kopftuchverbot als typischer Anwendungsfall der Vorschrift vorschwebte (vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 13/4869, S. 12).

Wichtige Klarstellung des BVerfG: In der im Beschluss dargestellten Auslegung verstößt die Regelung des § 7 Abs. 6 Satz 1 KiTaG a.F. (jetzt: § 7 Abs. 8 Satz 1 KiTaG bezogen auf religiöse Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild nicht gegen weitere Grundrechte oder sonstiges Bundesrecht (Art. 31 GG). »Sie ist insbesondere mit den einschlägigen Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar«, heißt es im BVerfG-Beschluss.

© bund-verlag.de (mst)

Lese-Tipp der Online-Redaktion:

»Der DGB-Rechtsschutz kommentiert – Pflegerin in der Diakonie mit Islamischem Kopftuch« von Matthias Beckmann  
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