Arbeitsschutz

20 Jahre Arbeitsschutzgesetz

07. Juni 2016
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Quelle: © DOC RABE Media / Foto Dollar Club

Das Arbeitsschutzgesetz feiert im August 20-jähriges Jubiläum. Kern des Gesetzes ist der Präventionsgedanke: Vorsorgen ist besser als Nachsorgen. Das meint, Gefahren am Arbeitsplatz im voraus zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, bevor etwas passiert. Die Zeitschrift »Gute Arbeit« zieht Bilanz und skizziert, was in den nächsten zwei Jahrzehnten noch zu tun ist.

Die modernen Aspekte und Verfahrensweisen, auf denen das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) von 1996 aufbaut, haben die „Arbeitsschutzgemeinde“ vor allem in den Betrieben nicht nur erfreut, sondern auch nachhaltig verunsichert. Das wirkt teilweise bis heute nach. Das zentrale neue Element ist die Gefährdungsbeurteilung nach § 5: Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die Betriebs- und Personalräte, Betriebsmedizin, Sicherheitsbeauftragte und natürlich der erste Normadressat, der Arbeitgeber: alle müssen seit 20 Jahren anders ran an das Thema Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.

Der neue Schutzbegriff verlangt: (Mögliche) Gefährdungen bei der Arbeit müssen präventiv und umfassend beurteilt werden, bevor etwas passieren könnte, was die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beeinträchtigen könnte. Das funktioniert nur, wenn die oben genannten Experten und Parteien eng kooperieren und betriebliche Prozesse etablieren:

  • damit die Gefährdungen regelmäßig beurteilt werden können und
  • mit abgeleiteten Maßnahmen abgebaut werden
  • anschließend die Wirkung der Maßnahmen überprüft
  • und das Umgesetzte dokumentiert wird.

Doch diese Vorgabe wird bis heute in vielen Betrieben vernachlässigt oder torpediert. Insbesondere die psychischen Belastungsfaktoren werden nur in rund 20% der Betriebe berücksichtigt.

Gefährdungen vorausschauend beurteilen

Der alte Arbeitsschutz war schlichter - nach dem Motto: Das ist gefährlich, da droht konkrete Gefahr, das darfst du und das darfst du nicht! In dutzenden von Paragrafen wurde das festgehalten. Doch die Arbeitswelt ist komplex und permanent im Wandel: Was heute verboten ist, das gibt es morgen vielleicht schon nicht mehr oder kann sicher organisiert werden. Und dann?

Das neue Arbeitsschutzgesetz von 1996 kommt dagegen mit unter 30 Paragrafen daher, formuliert Ziele, die bei der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten erreicht werden müssen und überträgt dem Arbeitgeber die Verantwortung für das Erreichen: Er muss mit den betrieblich vorgesehenen Experten und den Interessvertretungen dafür sorgen, dass eine geeignete Arbeitsschutzorganisation dafür aufgebaut wird und die Gesetze eingehalten werden. Vier Beiträge zum Titelthema »20 Jahre Arbeitsschutzgesetz« rollen das Feld in »Gute Arbeit« 4/2016 auf, ohne dass sich die Autorinnen und Autoren bei Lobreden aufhielten.

Mitbestimmung klug genutzt

Mitbestimmung im Arbeitsschutz 1.0 oder 4.0: Der Rechtsexperte Christian Schoof, Autor von Betriebsratspraxis von A-Z (im Bund-Verlag gerade aktualisiert erschienen), erläutert den Interessenvertretungen, wie sie mit dem Betriebsverfassungsgesetz (vor allem mit § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) in Bezug auf Regelungen im Arbeitsschutzgesetz (oder in Verordnungen, im Regelwerk, Unfallverhütungsvorschriften) ihre Mitbestimmungsrechte nutzen können. Dabei warten die Betriebsräte nicht ab, ob oder was der Arbeitgeber in punkto Arbeits- und Gesundheitsschutz unternimmt. Sie haben nicht nur Mitbestimmungs-, sondern auch Initiativrechte.

Für den DGB-Bundesvorstand präzisiert Annelie Buntenbach, warum gute und sichere Arbeit für den DGB ein hohes Gut ist, dass die Gesundheit der Beschäftigten nicht verhandelbar ist. Sie geht auf besondere Herausforderungen ein – wie alternde Belegschaften im demografischen Wandel und Arbeitsschutz 4.0 - mit Erreichbarkeit und Mobilarbeit. Gerade angesichts dieser Aufgaben sei der ganzheitliche, moderne Arbeitsschutz mit der Gefährdungsbeurteilung noch besser zu verankern.

Flankiert werden müsse dies durch politische Initiativen und Beratung der Betriebe. Und Buntenbach beklagt das zurzeit schwierige politische Klima: »Ein zeitgemäßer Arbeitsschutz ist seitens der Arbeitgeberverbände stark unter Beschuss. Die Digitalisierung wird hier zum Vorwand, um notwendige rechtliche Regelungen und Klarstellungen zu verteufeln.« Unter anderem moniert Buntenbach, dass die jahrelang gemeinsam verhandelte Arbeitsstättenverordnung plötzlich torpediert worden sei.

Arbeitsschutz und die Zukunft der Arbeit

Professor Wolfhard Kohte ordnet das Arbeitsschutzgesetz rechtlich ein und stellt dar, wie ein präventives Sicherheitsmanagement im Betrieb aussehen soll, welche Faktoren dazugehören und was rechtlich noch besser geregelt werden muss. In diese Kerbe schlägt auch Andrea Fergen, Arbeitsschutzexpertin der IG Metall, die aus der Praxis weiß: Wer heutzutage permanent online und erreichbar ist, mobil arbeitet und auf neue technische Endgeräte wie Smartphones angewiesen ist, braucht zeitgemäße, angemessene Schutzmechanismen. Und sie betont, dass das Thema Arbeitszeit besonders brisant ist: „Es gibt Grenzen der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit. Daraus folgen arbeitswissenschaftliche Gestaltungsempfehlungen, die auch für mobile Arbeit gelten.“ Sie plädiert dafür, in den Betrieben alle Arbeitszeiten lückenlos erfassen zu lassen und Grenzen zu beachten. Weitere Informationen Das Titelthema „20 Jahre Arbeitsschutzgesetz“ mit mehreren Beiträgen in ganzer Länge lesen in »Gute Arbeit« 4/2016 (S. 8-20). Das Thema Arbeitszeit und Belastungsschutz wird im Titelthema von »Gute Arbeit« 1/2016 ausführlich behandelt.

Für die Online-Ausgabe registrierte Abonnent(inn)en der Zeitschrift können im Archiv auf alle Ausgaben und Beiträge ab 1/2012 kostenfrei zugreifen: www.gutearbeit-online.de.

© bund-verlag.de (BE)

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