Schulpersonalräte in der Zwickmühle

26. September 2017
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Quelle: © Alexander Raths / Foto Dollar Club

Schülermassen und zu wenige Lehrer: Die Bertelsmann-Stiftung hat in einer neuen Studie ein bildungspolitisches Horror-Szenario entworfen. Daniel Merbitz, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes der GEW für den Bereich Tarif- und Beamtenpolitik, hat mit der Zeitschrift »Der Personalrat« über die aktuelle Situation an deutschen Schulen gesprochen. 

Bis 2025 rechnet die Bertelsmann-Stiftung mit einem Mangel an rund 50.000 Lehrern. Wie kann diese Lücke geschlossen werden?

Der Lehrkräftemangel betrifft nicht alle Schularten gleichermaßen. Während an Grund- und Förderschulen Mangel herrscht, gibt es an den Gymnasien genügend Bewerber. Das könnte anders sein, wenn die Lehrkräfte an allen Schularten gleich gut bezahlt würden. Zudem muss man die Kapazitäten in der Lehrkräfte-Ausbildung anpassen. Das hilft zwar erst langfristig, muss aber unbedingt in Angriff genommen werden. Dafür müssen die Hochschulen aber besser finanziert werden. Statt rechtzeitig bedarfsgerecht Studienplätze anzubieten, haben sich viele Bundesländer bisher darauf verlassen, im Zweifel anderswo Personal abzuwerben. Ein weiteres Problem ist die Arbeitsbelastung. Im Schuldienst arbeiten mehr als 40 Prozent in Teilzeit. Viele, weil sie eine volle Stelle gar nicht schaffen würden. Würden Lehrer von außerunterrichtlichen Aufgaben entlastet, könnten Teilzeitbeschäftigte mehr unterrichten. Ein weiteres Problem ist die Arbeitsbelastung der Lehrerinnen und Lehrer.

Was ist also zu tun?

Kurzfristig führt kein Weg an der Einstellung auch von Quer- und Seiteneinsteigern vorbei. Allerdings müssen die Bundesländer diese Menschen dann auch entsprechend fördern und berufsbegleitend qualifizieren.

Besteht die Gefahr, dass durch Übergangslösungen Verbeamtungen von Lehrern die Ausnahme werden?

Im Moment versuchen die Bundesländer eher, die vorhandenen Lehrkräfte durch Verbeamtung an sich zu binden. Nur Berlin und Sachsen verbeamten nicht. In diesen beiden Ländern ist der Mangel übrigens am gravierendsten. Die jetzt verstärkt eingestellten Seiteneinsteiger versuchen engagiert, in einer schwierigen Situation den Unterricht aufrechtzuerhalten. Sie aber zu verbeamten, ginge schon rechtlich nicht. Schickt man diese Menschen in ein paar Jahren einfach wieder nach Hause oder bietet man ihnen eine berufsbegleitende Qualifizierung an? Das muss man ehrlich diskutieren!

Was bedeutet der Lehrermangel aktuell für die Situation an Schulen? Wie müssen Personalräte darauf reagieren?

Auch für die Personalräte ist die Situation sehr schwierig. Sie sehen sich vielfach in der Mitverantwortung, ausreichend qualifiziertes Personal einzustellen. Deshalb stimmen sie bei nicht voll ausgebildeten Bewerbern oft Befristungen zu, obwohl der Bedarf offensichtlich länger besteht. Gerade für Schulpersonalratsmitglieder mit gewerkschaftlichem Hintergrund stehen sich pädagogischer und gewerkschaftlicher Anspruch da oft gegenüber. Sie sollten sich klar machen, dass sie das Problem des Lehrkräftemangels nicht lösen können.

Wie ist es möglich, dass die Kultusministerien der Länder von völlig anderen Prognosen der Schülerzahlen ausgehen?

Auch die Kultusministerien und die Kultusministerkonferenz wissen längst, dass ihre Schülerprognosen aus dem Jahr 2013 veraltet sind. Deshalb haben sie auch die Veröffentlichung ihrer eigenen Lehrerbedarfsprognose um ein Jahr aufgeschoben, damit sie die aktualisierte Schülerzahlprognose des Statistischen Bundesamtes mit einbeziehen können. Die sind nur sehr viel langsamer als die Wissenschaftler der Bertelsmann-Stiftung. Die hohe Einwanderungsquote der letzten drei Jahre hat niemand vorhergesehen. Auch der in den letzten Jahren beobachtete Anstieg der Geburtenrate war so nicht »planbar«.

© bund-verlag.de (mst)

 
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