Traumberuf Staatsdiener

01. September 2016
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Quelle: Daniel Ernst_Dollarphotoclub

In den nächsten zehn Jahren schickt der Staat rund eine Million seiner Beschäftigten in den Ruhestand. Da trifft es sich gut, dass der Nachwuchs ein Auge auf Jobs im öffentlichen Dienst geworfen hat – wie eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) unter 3.500 Studenten zeigt. 


Der Umfrage zufolge bezeichnet jeder Dritte der Befragten eine Anstellung im öffentlichen Dienst als besonders attraktiv für die eigenen beruflichen Pläne – mit 32 Prozent sind das zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Etwas abgeschlagen rangieren dahinter Jobs bei Kultureinrichtungen (23 Prozent) und in der Automobilindustrie (22 Prozent).

Besonders Studentinnen könnten sich eine berufliche Zukunft im Staatsdienst gut vorstellen. Sie erhoffen sich offenbar vor allem Sicherheit und bessere Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, heißt es in einer Mitteilung zur Erhebung. Beide Punkte stünden für Frauen an der Spitze der wichtigsten Faktoren bei der Wahl ihres künftigen Arbeitgebers. 64 Prozent nennen dabei Jobsicherheit als wichtigsten Faktor, 49 Prozent die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bei den männlichen Befragten versprechen sich 62 Prozent vom öffentlichen Dienst Jobsicherheit, gefolgt von Aufstiegschancen (55 Prozent).

Vermeintliche Sicherheit lockt Jobsuchende

Sicherheit sei für die Studenten von heute besonders wichtig – und die erwarten sie vor allem im Staatsdienst, sagt Ana-Cristina Grohnert, Mitglied der Geschäftsführung bei EY zur aktuellen Umfrage. „Obwohl es der Wirtschaft in Deutschland derzeit sehr gut geht und der Arbeitsmarkt große Chancen bietet, bevorzugen die deutschen Studenten den öffentlichen Dienst als sicheren Hafen, insbesondere wenn noch die Verbeamtung winkt. Gerade die hohe Attraktivität des öffentlichen Dienstes für Frauen zeigt, dass sie dort die besseren Chancen sehen, Arbeit und Familie miteinander zu vereinbaren.“ Interessant: Während die Beliebtheit einzelner Branchen in Ost und West unterschiedlich ausgeprägt ist, genießt der öffentliche Dienst deutschlandweit ein hohes Ansehen bei den befragten Studenten: Für 32 Prozent der Studenten in den westlichen Bundesländern und für 31 Prozent in den östlichen Bundesländern ist er der attraktivste Arbeitgeber.

DGB: Außenwirkung ist positiv

„Die Wahrnehmung des öffentlichen Dienstes zeigt, dass die Arbeit der Gewerkschaften Wirkung entfaltet, beispielsweise durch Tarifabschlüsse, die gute Arbeitsbedingungen garantieren“, erklärt Dr. Karsten Schneider aus der Abteilung Öffentlicher Dienst und Beamtenpolitik beim DGB. „Im Prinzip  sind wir auch der Auffassung, dass der öffentliche Dienst für gute Arbeitsbedingungen steht.“ Dennoch müssten auch negative Aspekte benannt werden: Beispielsweise sei die Befristungspraxis fragwürdig und die Befristungsquote in kaum einer anderen Branche so hoch wie im öffentlichen Dienst, betont Schneider. „Da kann von Jobsicherheit keine Rede sein.“ Dazu kommt, dass der öffentliche Dienst sehr hohe Krankenstände hat, erklärt Schneider, der auf die Überlastung aufgrund Personalmangels verweist. Dem DGB zufolge fehlen zum Beispiel 24.000 Lehrkräfte und 14.000 Erzieherinnen und Erzieher. Auch bei der Bundespolizei gebe es einen Bedarf von 20.000 zusätzlichen Stellen. Bei Bundes- und Landespolizeien hätten sich inzwischen über 10 Millionen Überstunden angesammelt – Ausfälle wegen der hohen Arbeitsbelastung sind dann absehbar. Der DGB fordert daher immer wieder eine nachhaltige und bedarfsorientierte Personalpolitik im öffentlichen Dienst.

Geld ist nicht alles

Die Studenten scheint die Faktenlage in ihrer Einschätzung nicht zu beeinflussen. Im Gegenteil: Für einen Job im öffentlichen Dienst würde der Nachwuchs sogar auf Geld verzichten. Während die Studenten, die gerne in der Autoindustrie Karriere machen möchten, rund 45.000 Euro als Einstiegsgehalt erwarten, gäben sich die zukünftigen Angestellten und Beamten mit 36.600 Euro brutto im Jahr zufrieden – das sind 3.400 Euro unter dem Durchschnittsgehalt, das die Umfrage ermittelt hat.„Die Betriebe müssen daraus lernen: Wollen sie attraktiv für die gut ausgebildeten Uniabgänger der Zukunft sein, müssen sie ihnen über Karrieremöglichkeiten und ein gutes Einstiegsgehalt hinaus mehr bieten. Ein hohes Gehalt ist für die Studenten nur ein Faktor unter vielen“, sagt EY-Expertin Grohnert.

Einen wichtigen Faktor für die Attraktivität des öffentlichen Dienstes führt Dr. Karsten Schneider an. „In Umfragen zum öffentlichen Dienst wird immer wieder eine besondere Motivation der Beschäftigten deutlich: Sie wollen etwas fürs Gemeinwesen tun.“

Die komplette Umfrage finden Sie hier! © bund-verlag.de – (mst)

Lesetipp der Online-Redaktion:

»Zukunft der Arbeit im öffentlichen Dienst« von Mirjam Muhs, »Der Personalrat« Ausgabe 7-8/2016, S. 33
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