Klageverzichtsklausel macht Vertrag unwirksam
Der Kläger war seit 2001 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 2008 (MTV) Anwendung.
Die Arbeitgeberin drohte dem Kläger mit einer außerordentlichen Kündigung und Strafanzeige. Sie warf ihm vor, aus ihrem Lagerbestand ohne Bezahlung zwei Fertigsuppen entnommen und verzehrt zu haben.
Am 28.12.2012 schlossen die Parteien einen schriftlichen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Zahlung einer Abfindung mit dem 28.12.2012 enden soll. Der Vertrag war von der Arbeitgeberin vorformuliert.
Darin verzichtete der Kläger unter anderem auf das Recht, seine Einwilligung zu widerrufen oder gegen die Auflösung seines Arbeitsvertrags zu klagen. Der MTV beinhaltet in § 11 Abs. 10 bei Aufhebungsverträgen ein Widerrufsrecht innerhalb von drei Werktagen, auf das allerdings schriftlich verzichtet werden kann.
Noch am gleichen Tag erklärte der Kläger, dass er seine Zustimmung zu dem Vertrag anfechtet. Vor dem Arbeitsgericht beantragte er die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Schon angesichts des langjährigen, unbelasteten Arbeitsverhältnisses sei es nicht vertretbar gewesen, ihm mit einer fristlosen Kündigung zu drohen.
Das Landesarbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Das BAG hob dieses Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurück.
Es komme nicht darauf an, ob der Kläger wirksam auf die tarifliche Widerrufsmöglichkeit
verzichtet habe, weil er zumindest innerhalb der Widerrufsfrist keinen wirksamen Widerruf im Sinne von § 11 Abs. 10 MTV erklärt habe.
Allerdings sei die Klageverzichtsklausel im Aufhebungsvertrag rechtlich unwirksam. Als Nebenabrede in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Aufhebungsvertrag unterliegt die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.
Wird ein solcher formularmäßiger Klageverzicht erklärt, um eine vom Arbeitgeber angedrohte außerordentliche Kündigung zu vermeiden, benachteiligt dieser Verzicht den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das gilt zumindest dann, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen dürfen.
Im Ergebnis teilt damit die Klageverzichtsklausel das rechtliche Schicksal des Aufhebungsvertrags: Beide sind unwirksam. Das LAG muss nun in einem neuen Verfahren prüfen, ob der Arbeitgeber tatsächlich nicht berechtigt war, mit der außerordentlichen Kündigung zu drohen. Das bedeutet, das Gericht muss prüfen, ob der Diebstahlsvorwurf zutreffend war und eine Kündigung rechtfertigen konnte.
Quelle:
BAG, Urteil vom 12.03.2015
Aktenzeichen: 6 AZR 82/14
BAG, Pressemitteilung vom 12.03.2015
Hinweis:
In der Vorinstanz hatte das LAG Hamm der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Eine Besprechung dieser Entscheidung von Matthias Bauer lesen Sie in
AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat 05/2014
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Lesetipp der AiB-Redaktion:
»Fokus Aufhebungsvertrag - Chancen und Risiken abwägen!« von Jens-Peter Hjort in
»Arbeitsrecht im Betrieb« 3/2013, S. 190-194
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