Vertrauensarbeitszeit - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Einigungsstelle darf auch über Arbeitszeiterfassung verhandeln

14. Februar 2014

Regelungsgegenstand einer Einigungsstelle kann bei Festlegung der Arbeitszeiten auch die Arbeitszeiterfassung sein. Diese schließt allerdings kein Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen mit ein.

Der Fall

Bei der Arbeitgeberin gilt Vertrauensarbeitszeit. Zwischen ihr und dem Betriebsrat bestand zunächst Streit über die Lage und Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit. Mittlerweile wurde rechtskräftig eine Einigungsstelle zu diesem Thema eingesetzt. Im zweiten Rechtszug streiten die Beteiligten nun noch darüber, ob auch eine Zeiterfassung einer Regelung durch die Einigungsstelle zugänglich ist.

Die Vorinstanz hatte dies verneint. Die Einigungsstelle sei - im Unterschied zu der mitbestimmungspflichtigen Arbeitszeitregelung - für die Zeiterfassung offensichtlich unzuständig. Es bestünde insoweit kein Initiativrecht des Betriebsrats. Er könne nur dann Mitbestimmungsrechte geltend machen, wenn die Arbeitgeberin eine Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen plane, die dazu bestimmt seien, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).

Die Entscheidung

Das LAG Niedersachsen sah dies differenzierter. Dient die Einigungsstelle der Festlegung von betrieblichen Arbeitszeiten in einem Unternehmen, das bisher Vertrauensarbeitszeit praktiziert, kann auch die Arbeitszeiterfassung ein zulässiger Regelungsgegenstand einer Einigungsstelle sein. Diese schließt indessen kein Initiativrecht des Betriebsrats hinsichtlich des Mitbestimmungstatbestandes nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein.

§ 80 Abs. 2 BetrVG verschafft dem Betriebsrat lediglich einen Anspruch gegen den Arbeitgeber, dass dieser ihn zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend unterrichtet, also auch zur Arbeitszeitkontrolle.

Soweit es um Kontrollmechanismen im Rahmen der Festlegungen in der Einigungsstelle nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG geht, stellt sich automatisch die Frage der Zeiterfassung. Darüber hat die Einigungsstelle mit zu verhandeln, sozusagen in Annexkompetenz. Wie die Erfassung der Arbeitszeit erfolgt, kann deshalb der Betriebsrat mitbestimmen. Jedenfalls besteht insoweit keine »offensichtliche Unzuständigkeit« der Einigungsstelle.

Die Grenze ist jedoch dort zu ziehen, wo der Betriebsrat eine Arbeitszeiterfassung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verlangt, mit der das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer durch Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen überwacht wird.

Quelle:
LAG Niedersachsen, Beschluss vom 22.10.2013
Aktenzeichen 1 TaBV 53/13

Folgen für die Praxis

A t Anmerkung von Matthias Bauer, ehemals DGB Rechtsschutz GmbH

Wenn der Arbeitgeber eine technische Einrichtung installieren lassen will, mit der das Verhalten oder die Leistungen der Arbeitnehmer überwacht werden sollen, wehrt sich in der Regel der Betriebsrat und macht sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geltend. Hier war es umgekehrt. Es ging um die Regelung der Kernarbeitszeit von Redakteurinnen und Redakteuren, deren Arbeitszeit im Übrigen auf Vertrauensbasis abgeleistet wird. Für die Festlegung der Kernarbeitszeit wurde zulässigerweise die Einigungsstelle eingerichtet, in deren Verlauf allerdings der Betriebsrat und nicht etwa die Arbeitgeberin ein Kontrollinstrument verlangte.

Die Motivation des Betriebsrats für seinen Vorstoß lässt sich den Entscheidungsgründen nicht entnehmen. Es darf vermutet werden, dass die dieser Arbeitnehmergruppe eingeräumte relative Gestaltungsfreiheit für die Arbeitszeit zu einer mehr oder minder ausgestalteten Selbstausbeutung dieser Beschäftigten geführt hat. Dem wollte der Betriebsrat in Zusammenhang mit der Regelungsmaterie in der Einigungsstelle mit einer zusätzlichen Arbeitszeitkontrolle begegnen. Er hatte dafür im Entwurf für eine Betriebsvereinbarung einen Vorschlag für die Einführung einer technischen Einrichtung für die Zeiterfassung beim Kommen und Gehen gemacht.

Das Arbeitsgericht hatte diesen Vorstoß in erster Instanz noch kategorisch abgelehnt. Der Betriebsrat habe nicht das Initiativrecht für die Einführung einer derartigen Kontrolle, das sei seit der Rechtsprechung des BAG aus dem Jahre 1989 geklärt. Der Betriebsrat wollte beim LAG erreichen, dass ihm genau dieses Recht zugestanden wird. Das konnte das LAG angesichts der klaren Rechtslage nicht tun. Aber es gab einen für die betriebsrätliche Praxis differenzierten Hinweis: In einer Einigungsstelle kann über alles verhandelt werden.

Im Zusammenhang mit der Arbeitszeit kann die Einigungsstelle auch über Kontrollinstrumente handschriftlicher oder technischer Natur verhandeln. Bei einer Einigung fragt niemand mehr nach demjenigen, der die Initiative dafür ergriffen hat. Nur wenn der Arbeitgeber die technische Erfassung nicht will, gibt es für den Betriebsrat kein Recht zur Durchsetzung. Die Einigungsstelle hätte also zulässigerweise nur über eine nichttechnische Kontrolle streiten dürfen.

Lesetipp der AiB-Redaktion:
»Das Ende der Vertrauensarbeitszeit« von Ingo Hamm in »Arbeitsrecht im Betrieb« 9/2013, S. 518-520.

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