Gleitzeit

Auch gekappte Überstunden sind als Mehrarbeit zu bezahlen

16. Juni 2014

Betriebsrat und Arbeitgeber können in einer Betriebsvereinbarung zum Thema Gleitzeit und Arbeitszeit bestimmen, dass die über zehn Stunden hinaus geleistete werktägliche Arbeitszeit gekappt und nicht dem Gleitzeitkonto gutgeschrieben wird. Der Arbeitgeber muss die Arbeitszeit dennoch in vollem Umfang vergüten.

Arbeitgeberin und Betriebsrat streiten um die Wirksamkeit einer betrieblichen Arbeitszeitregelung. Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen im Bereich der Entwicklung und Herstellung von Luft- und Raumfahrttechnik. Sie ist tarifgebunden. Sie führt mit mehreren anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb, in dem ein Betriebsrat gebildet ist.

Tarifvertrag ordnet Vergütung von Mehrarbeit an
Der einschlägige Manteltarifvertrag der Bayerischen Elektroindustrie (MTV) legt fest, dass die wöchentliche Arbeitszeit grundsätzlich 35 Stunden pro Woche beträgt. Mehrarbeit ist nach dem MTV zu vergüten, soweit der Arbeitgeber sie angeordnet gebilligt hat. Auch Arbeitsstunden, die über zehn Stunden täglich hinaus geleistet werden, gelten als Mehrarbeit.

Kappung von Überstunden in Betriebsvereinbarung »Gleitzeit«

Im Jahr 2009 schlossen Arbeitgeberin und Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Danach können die Beschäftigten die Lage ihrer Arbeitszeit an den Werktagen (Mo. – Fr.) durch Gleitzeit selbst bestimmen, aber eine werktägliche Arbeitszeit von zehn Stunden soll nicht überschritten werden. In einer Protokollnotiz wurde festgehalten, dass Überstunden ab dieser Grenze zwar erfasst, aber nicht mehr als Gleitzeit gutgeschrieben, sondern gekappt werden.

Ende 2010 wurde festgestellt, dass im Jahr 2010 auf diese Art 2.747,5 Mehrarbeitsstunden gekappt worden waren. Der Betriebsrat wollte daraufhin die Unwirksamkeit der Kappungsregelung feststellen lassen, da er der Meinung ist, den Beschäftigten würde dadurch Bezahlung entgehen. Seinen Antrag lehnten aber alle Instanzen ab.

Kappungsregelung wirkt sich nicht auf Vergütungsanspruch aus

Trotzdem erzielte der Betriebsrat einen Erfolg: Zwar stellte das BAG fest, dass sowohl die Kappungsregelung als auch die weiteren angegriffenen Teile der BV wirksam sind. Allerdings stellte das BAG klar, dass die Betriebsvereinbarung zur Gleit- und Arbeitszeit gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nur die Dauer und Lage der täglichen Arbeitszeit betrifft, und nicht deren Vergütung. Diese regelt bereits der im Betrieb geltenden Tarifvertrag abschließend, so dass für die Betriebsparteien kein Gestaltungsspielraum mehr besteht. Ansprüche der Arbeitnehmer auf Vergütung werden daher durch die Kappungsregelung nicht beseitigt.

Quelle
BAG, Beschluss vom 10.12.2013
Aktenzeichen 1 ABR 40/12

Lesetipp der AiB-Redaktion
»Überstunden und kein Ende - Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats« von Marc-Oliver Schulze und Corinna Schreck in »Arbeitsrecht im Betrieb« 7-8/2013, S. 427–430.

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