Neun Fragen zu Crowdwork
Die Arbeitsbedingungen und auch die Bezahlung von Crowdworkern stehen immer wieder in der Kritik. Aber wie lässt sich mehr Fairness erreichen?
9 Fragen an den Arbeitsrechtler Dr. Thomas Klebe
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Das kommt darauf an. Das sogenannte interne Crowdsourcing läuft über firmeneigene Plattformen. Die Crowdworker sind und bleiben in diesem Fall normale Beschäftigte mit allen Arbeitnehmerrechten. Bei externem Crowdsourcing ist das anders. Dabei werden die Crowdworker bisher als Selbstständige, als Unternehmer, behandelt und fallen nicht einmal unter den Schutz des Heimarbeitsgesetzes.
Beispielsweise haben sie keinen Kündigungsschutz, erhalten im Krankheitsfall keine Entgeltfortzahlung und haben keinen Schutz durch Betriebsräte. Für freiberuflich arbeitende Spezialisten mit hohem Einkommen ist das vielleicht kein Problem. Aber für die große Mehrheit der Crowdworker eben schon. Außerdem sind sie häufig nicht sozialversichert.
Rechtliche Grundlage sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der jeweiligen Plattform. Allerdings sind die AGB mancher Plattformen mit Blick auf die Arbeitnehmerrechte extrem unfair formuliert. Sollte das der Fall sein, und der Betreiber der Plattform hat seinen Geschäftssitz in Deutschland, dann greift das BGB (Anmerk. Red.: Bürgerliches Gesetzbuch) und nach dem sind solche Klauseln rechtswidrig. Bei ausländischen Plattformen müssen schon gravierende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht oder gröbste Benachteiligungen vorliegen, um etwas in der Hand zu haben.
Zuerst einmal sollten sie sich die AGB genau durchlesen. Wenn sie nebenberuflich als Crowdworker arbeiten, müssen sie zudem aufpassen, dass sie keine Betriebsgeheimnisse ihres Hauptarbeitgebers preisgeben. Und sie müssen die Nebentätigkeit ihrem Hauptarbeitgeber mitteilen, wenn ihr Arbeitsvertrag das vorsieht. Hauptberufliche Crowdworker ohne festen Arbeitgeber sollten sich zum Beispiel auch Gedanken machen, ob sie ausreichend versichert sind.
Meiner Meinung nach ist das nach deutschem Recht unwirksam. Das ist ja nicht wie bei anderen Ausschreibungen, bei denen Selbstständige Angebote einreichen und der Auftraggeber sucht sich dann das seiner Meinung nach beste raus. Die Crowdworker verrichten in diesen Fällen die komplette Arbeit, bekommen dann aber nichts dafür. Betroffene können prüfen lassen, ob sie eine Vergütung einklagen. Es gibt hierzu allerdings noch keine Gerichtsentscheidungen.
Die IG Metall hat kürzlich die Internet-Plattform faircrowdwork ins Leben gerufen. Dort können sich Crowdworker beraten lassen, vernetzen und ihre Auftraggeber bewerten, wie es etwa um deren Zahlungsmoral bestellt ist. Ein Juristenteam hat auch die AGB einer Reihe von Plattformen gecheckt und die Ergebnisse dort veröffentlicht. Mit all dem können die Crowdworker hoffentlich bald eine Gegenmacht aufbauen. Vielleicht wird es ihnen gemeinsam mit der Gewerkschaft dadurch auch möglich, mit den Plattformen über bessere Arbeitsbedingungen zu verhandeln.
Kurzfristig könnten die Gerichte für Verbesserungen sorgen, in dem sie die Plattform-Betreiber zu faireren AGB verpflichten. Auch wenn der Arbeitsort zuhause ist, und nicht in einem Betrieb, haben die Crowdworker ein Schutzbedürfnis wie alle Arbeitnehmer. Das bedeutet, dass die Sozialversicherungen sich ihnen wenigstens in Teilen öffnen sollten. Diesen Vorschlag hat kürzlich auch Andrea Nahles aufgegriffen. Außerdem müsste ein Mindestlohn her und für die Crowdworker das Heimarbeitsgesetz gelten. Wenn sie hauptsächlich für einen Arbeitgeber arbeiten, dann muss für sie auch das Betriebsverfassungsgesetz gelten. Das wären zukunftsweisende Verbesserungen, würden sich auch Politik und Gesetzgeber mit dem Thema auseinandersetzen.
Nach momentanem Stand nicht. Aber da ist noch nichts in Stein gemeißelt. In den USA versuchen Crowdworker gerade, den Mindestlohn einzuklagen. Wenn die Gerichte zu ihren Gunsten entscheiden, wird das sicherlich entsprechenden Initiativen hierzulande Rückenwind geben. Man muss sich mal bewusst machen: Auf Amazons Crowdworking-Plattform Mechanical Turk liegt der Stundenlohn im Durchschnitt bei 1,25 Dollar. Und 60 Prozent der Crowdworker dort geben an, dass diese Arbeit ihre Haupteinnahmequelle sei. Das ist einerseits unzumutbar für die jeweiligen Crowdworker. Andererseits sind solch schlechte Arbeitsbedingungen keine Privatsache. Denn dadurch geraten andere Crowdworker und auch die in einem Arbeitsverhältnis Beschäftigten stark unter Druck.
9. Was können Gewerkschaften und Betriebsräte darüber hinaus tun?Gewerkschaften können Druck auf die Politik ausüben, damit diese die genannten Verbesserungen auf den Weg bringt. Betriebsräte sollten ihre Informations- und Beratungsrechte intensiv wahrnehmen. Nur so erfahren sie, was in ihrem Unternehmen alles passiert. Es ist nämlich nicht immer leicht ersichtlich, welche Arbeiten wie rausgegeben werden. Außerdem können sie und ihre Gewerkschaft wie bei Leiharbeit und Werkverträgen versuchen, mit den Arbeitgebern, die Arbeiten auf diese Weise fremdvergeben, Mindestbedingungen für externe Crowdworker auszuhandeln. Bei internem Crowdsourcing haben die Betriebsräte weitreichende Mitbestimmungsrechte, die sie wahrnehmen müssen.
Dr. jur. Thomas Klebeehemaliger Justitiar der IG Metall, Rechtsanwalt, Leiter des Hugo Sinzheimer Instituts (HSI) in Frankfurt/Main; ehrenamtlicher Richter am BAG, Autor des Bund-Verlages und Herausgeber des Kommentars zum BetrVG .
Lesetipp der Online-Redaktion:
Christiane Benner (Hrsg.): Crowdwork - zurück in die Zukunft?
Perspektiven digitaler Arbeit
Bund-Verlag, Frankfurt am Main
1. Auflage 2014, 420 Seiten
ISBN 978-3-7663-6395-4
Ladenpreis: 29,90 €
Quelle:
IG Metall, Meldung vom 04.05.2015
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