Wann der Weg zur Arbeit versichert ist
Ein Hausmeister aus Hanau verletzte sich an der Schulter auf dem Weg zur Arbeit, als er morgens sein Fahrzeug von seinem Privatgrundstück fuhr, anschließend das Hoftor schließen wollte und dabei auf eisglattem Boden ausrutschte.
Wegeunfall oder Privatangelegenheit?
Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Entschädigung ab, weil der Verunglückte den Weg zur Arbeit aus privaten Gründen unterbrochen habe. Da er das Hoftor nicht im Vorbeigehen oder ganz nebenher schließen konnte, sei die Unterbrechung auch nicht geringfügig, so die Argumentation der Unfallkasse.
Das sah das Landessozialgericht (LSG) Hessen anders: Die Wegeunfallversicherung solle den Versicherten bei Unfällen schützen, die er auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeitsstätte erleide. Denn der Arbeitsweg werde auch im Interesse des Betriebes zurückgelegt und steht in Beziehung zur versicherten Tätigkeit. Der versicherte Weg zur Arbeit beginnt – darin sind sich Literatur und Rechtsprechung weitestgehend einig – mit dem Durchschreiten der Außentür des Wohngebäudes. Er erstreckt sich ab dann auch auf Gefahrenmomente, die vom privaten Grundstück ausgehen, heißt es im Urteil.Eingeschobene Verrichtungen sind versichert
Das Verlassen des Autos und das Schließen des Hoftors benannte das Gericht als in den Hinweg zur Arbeit »eingeschobene Verrichtungen«. Denn diese Handlung lässt das »Fortbestehen der auf das Erreichen der Arbeitsstätte gerichteten Handlungstendenz« erkennen. (Anm. d. Red.: Ähnlich ist die Situation beispielsweise, wenn der Verunfallte einen Umweg fährt, weil er sich verfahren hat, dabei aber immer das Ziel „Arbeitsplatz“ ansteuert, siehe Hess. LSG, Urteil vom 01.09.2015, Az.: L 3 U 118/13)
Das LSG wertet im aktuellen Hoftor-Fall »diese Verrichtung als wesentliche Mitursache für den glättebedingten Sturz des Klägers auf dem Weg zurück zum Hoftor, wodurch er sich einen erheblichen Gesundheitsdauerschaden an der rechten Schulter zuzog.«Unterbrechung ist geringfügig
Selbst wenn man – wie die Unfallkasse – im Verschließen des Hoftors eine Unterbrechung des Hinwegs zur Arbeit sehen würde, läge lediglich eine geringfügige Unterbrechung vor, die im Hinblick auf den Versicherungsschutz nicht schädlich ist. »Eine Unterbrechung ist geringfügig, wenn diese zeitlich und räumlich den Weg zur Arbeit nur unwesentlich unterbricht, so dass praktisch von einer dauernden Ausübung der versicherten Tätigkeit – dem Weg zur Arbeit – ausgegangen werden kann.«
Die Revision zum Bundessozialgericht wurde nicht zugelassen.Lesetipps der Online-Redaktion:
»Der DGB-Rechtsschutz kommentiert: Sturz auf Betriebsräte-Treffen ist Arbeitsunfall« mit Anmerkungen von Matthias Bauer, ehemals DGB Rechtsschutz GmbH »Gesetzliche Unfallversicherung: Wege zur Schule, Kindergarten oder Betreuung sind versichert«Quelle:
LSG Hessen, Urteil vom 02.02.2016 Aktenzeichen: L 3 U 108/15 Rechtsprechungsdatenbank Hessen© bund-verlag.de (mst)
Quelle
Aktenzeichen L 3 U 108/15