Arbeitszeit - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Keine Anordnung von Ruhepausen ohne Zustimmung des Betriebsrats

23. Januar 2014

Pausen, die der Arbeitgeber einseitig ohne Beteiligung des Betriebsrats angeordnet hat, können wie Ruhepausen im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) vergütungspflichtig sein.

Leitsatz des Gerichts:
Ordnet ein Arbeitgeber Pausen unter Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG an, so sind die Pausen unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs auch dann zu vergüten, wenn sie den gesetzlichen Voraussetzungen für Ruhepausen nach § 4 ArbZG entsprechen.

Folgen für die Praxis

Anmerkung von Matthias Bauer, ehemals

DGB Rechtsschutz GmbH

Der klagende Arbeitnehmer ist im Flugsicherungsdienst mit Passagierkontrollen beschäftigt. Es gibt zahlreiche Rechtsstreite zwischen Arbeitnehmern und der Beklagten über Fragen der betrieblichen Arbeitszeit und die hier als »Breakstunden« bezeichneten Ruhepausen. Allein am LAG Köln waren es 250 Verfahren, die auch bereits einige Senate beim BAG beschäftigten.

Hier geht es um die Interpretation und praktische Anwendung einer Betriebsvereinbarung, die auf einem Spruch der Einigungsstelle beruht und folgenden Wortlaut hat:

»Dem Mitarbeiter werden die gesetzlichen Ruhepausen (§ 4 ArbZG) in einem Zeitkorridor zwischen Beginn der 2. Arbeitsstunde (frühester Beginn der Ruhepause) und Ende der 7. Arbeitsstunde (spätestens Ende der Ruhepause) durchgehend gewährt. Die Lage der Ruhepause/n wird dem Mitarbeiter bei Beginn der Schicht mitgeteilt.«

Weiter heißt es, dass der Arbeitgeber den Tagesplan als Entwurf unverzüglich dem Betriebsrat zuleitet. Wenn dieser nicht binnen 36 Stunden nach Eingang des Entwurfs beim Betriebsrat ablehnt, gilt dessen Zustimmung als erteilt.

Tatsächlich werden die jeweiligen Tagesdispositionen dem Betriebsrat erst in der Nacht vor dem jeweiligen Einsatz gesendet. Die Beklagte behauptet, das sei so mit dem Betriebsrat abgestimmt. Außerdem erfahre der Kläger die Lage der Pausen vor Schichtbeginn und die gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeiten seien auch eingehalten worden.

Der Kläger will die so festgelegten »Breakstunden« vergütet haben. Die Pausenzeiten seien ohne ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats bestimmt worden und er habe für diese Zeiten seine Arbeitskraft angeboten. Er beziffert den Anspruch unter Darlegung der einzelnen Stunden insgesamt auf weitere ca.2.300 €, die ihm das LAG Köln über das Urteil des Arbeitsgerichts hinaus auch zuspricht.

Nach dem Sachverhalt schien eine Verurteilung des Arbeitgebers zunächst höchst fraglich. Er hatte den Arbeitnehmer jeweils vor Schichtbeginn über die Lage der Pausen entsprechend den Regelungen des Einigungsstellenspruchs informiert. Die Pausen entsprachen auch der Dauer nach den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes. Anscheinend einziges Manko war, dass dem Betriebsrat die Information nicht so rechtzeitig vorlag, dass er noch innerhalb einer Frist von 36 Stunden sein Veto einlegen konnte. Hier sollte die Behauptung helfen, dass das kurzfristigere Informieren mit dem Betriebsrat abgestimmt worden sei. Die Schlüsselfrage lautete also, ob das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG von Arbeitgeber und auch Betriebsrat in der Weise gehandhabt werden durfte. Falls nicht, hat der Arbeitnehmer den Anspruch aus Annahmeverzug, weil der Arbeitgeber nicht das Recht zur Festlegung der Pause hatte, er mithin die Annahme der Arbeitskraft des Klägers für diese Zeit ohne Rechtsgrund abgelehnt hatte.

Aus der Entscheidung des LAG Köln folgen einige Merkposten für die praktische Betriebsratsarbeit:

  • Bei der Mitbestimmung nach § 87 BetrVG genügt es nicht, den Betriebsrat nur zu informieren. Seine ausdrückliche Zustimmung ist erforderlich, so dass auch sein Schweigen oder ein Fristablauf wie bei der 36-Stunden-Reglung des Einigungsstellenspruchs nicht die für die Arbeitnehmer verbindliche Reglungsmaterie schaffen.

  • Der Betriebsrat darf dem Arbeitgeber aber auch nicht freie Hand lassen, weil er kein Interesse hat oder glaubt kein Mitbestimmungsrecht zu haben. Das ist unzulässig, weil damit allein dem Arbeitgeber der gesetzlich für die Mitbestimmung vorgesehene Gestaltungsspielraum gegeben wird. Ähnliches gilt beim Verzicht des Betriebsrats auf die Gestaltung des Mitbestimmungstatbestands (BAG 26.04.2005 – 1 AZR 76/04).

  • Zulässig ist es nur, dem Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung das Recht einzuräumen, unter bestimmten Voraussetzungen einseitige Maßnahmen zu treffen, wenn die Betriebsvereinbarung bereits das Wesentliche an Gerüst für die Ausübung dieses Rechts enthält (BAG 03.06.2003- 1AZR 349/02). Eben das war hier nicht der Fall, weil zur Lage der Pausen überhaupt keine betriebliche Regelung vorlag.


Diese hätte zumindest in Ansätzen erkennbar machen müssen, dass die Pausen nicht allein unter betriebswirtschaftlichen Flexibilisierungsgesichtspunkten gesetzt wurden, sondern dass dabei auch die Erholungsbedürfnisse und sonstigen persönlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer gewahrt wurden. Die mitbestimmungswidrige Verfahrensweise führt in jedem Fall zur Unwirksamkeit der Pausenanordnung. Die Pausenzeit war zu vergüten, weil der Kläger in dieser Zeit eben zu Unrecht von seiner Arbeitsleistung abgehalten wurde.

Lesetipp der AiB-Redaktion:
»Überlastung von Beschäftigten - Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats« von Ute Kahl in »Arbeitsrecht im Betrieb« 1/2013, S. 40-44.
http://www.bund-verlag.de/zeitschriften/arbeitsrecht-im-betrieb/ausgabe/2013/1/

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