Betriebszugehörigkeit - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Betriebsratsmitglied kann zu zwei Betrieben gehören

22. Oktober 2013

Ein Betriebsratsmitglied kann gleichzeitig zwei Betrieben zugehörig sein. Die Eingliederung des Mitglieds in den Mandatsbetrieb endet nicht dadurch, dass es für den maßgeblichen Teil seiner dort zu erbringenden Arbeitszeit für Betriebsratstätigkeiten freigestellt wird. Die Versetzung des Betriebsratsmitglieds mit einem Teil seiner Arbeitszeit in einen anderen Betrieb muss an sich noch keine unzulässige Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellen.

Der Fall

In einem deutschlandweit agierenden Versicherungsunternehmen gibt es neunzehn Regionaldirektionen und eine Zentrale. Das hier betroffen Betriebsratsmitglied ist in einer Regionaldirektion gewählt und in den Gesamtbetriebsrat der naheliegenden Zentrale entsandt worden. Arbeitsvertraglich hat sich das Betriebsratsmitglied verpflichtet auch in der Zentrale seiner Arbeit als EDV-Administrator nachzugehen.

Für diese Serviceleistung hält die Arbeitgeberin in den Regionaldirektionen Administratoren für die regionalen Probleme und Fragestellungen vor, während sie in der Zentrale noch zwei Stellen für die Koordination und Steuerung des gesamten EDV-Systems einrichten will. Eine dieser Stellen soll das Betriebsratsmitglied erhalten, dessen Arbeitszeit dann bei zwei Tage in der Regionaldirektion und drei Tagen in der Zentrale liegen soll. Im Wesentlichen bestünde die Arbeit weiterhin aus der Beratung und Unterstützung der EDV-Nutzer der Regionalverwaltung, sowohl während des Aufenthalts in der Regionalstelle, als auch in der Zentrale. Nur ein geringerer Teil soll auf den der Zentrale vorbehaltenen Bereich von Steuerung und Koordination entfallen.

Das Betriebsratsmitglied erklärte sich mit der Versetzung nicht einverstanden. Sowohl der Betriebsrat das abgebenden Betriebs (Region), als auch der des aufnehmenden (Zentrale) verweigerten ihre Zustimmung mit der Begründung, ihr Mitglied werde so an der Ausübung seines Mandats gehindert und erleide persönliche Nachteile. Die Arbeit in der Regionaldirektion betrage in den zwei zugewiesenen Tagen maximal fünf Stunden, weshalb er die Wählbarkeit in der Region verliere.

Die Entscheidung

Das LAG hat sich in einem sehr umfangreichen Beschluss mit allen Einzelheiten der von den Betriebsräten vorgebrachten Einwänden intensiv auseinandergesetzt und sich entgegen der ersten Instanz letztlich für die Versetzung als zulässige Maßnahme im Rahmen des § 103 BetrVG entschieden. Es lägen dringende betriebliche Gründe für die Versetzung vor. Demgegenüber habe das Betriebsratsmitglied weder Mandatsverlust noch eine Einschränkung seiner Rechte in der Ausübung seines Mandats zu befürchten.

Quelle:
LAG Köln, Urteil vom 22.10.2013
Aktenzeichen 12 TaBV 64/13
NRW online.

Folgen für die Praxis

Anmerkung von Matthias Bauer, ehemals DGB Rechtsschutz GmbH

Wählbarkeit setzt die Eingliederung in den Betrieb voraus
Arbeitnehmer können in mehreren Betrieben wählbar sein (BAG schon seit der Entscheidung v. 11.04.1958 – 1 ABR 2/57), so dass die Alternative nicht Region oder Zentrale heißt. Die Wählbarkeit knüpft nur an die »Eingliederung« in den jeweiligen Betrieb. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff verlangt zunächst keine Minimalarbeitszeit im Wahlbetrieb (BAG v. 10.03.2004 – 7 ABR 36/03), weshalb es nicht maßgeblich ist, ob das Betriebsratsmitglied tatsächlich nur wenige Stunden eingesetzt ist. Es kommt darauf an, dass er in der Zeit weisungsgebunden arbeitet, also der Direktive des Arbeitgebers unterworfen ist.

Eingliederung ist auch ohne arbeitsvertragliche Leistung möglich.
Das LAG nimmt darüber hinaus an, dass es bei einem Betriebsratsmitglied auf die verfahrenen Stunden, die nach dem Arbeitsvertrag geschuldet werden, im Zweifel nicht ankommt, weil auch die Frage von Beginn und Ende der Betriebsratsarbeit in einem Betrieb der Kontrolle des Arbeitgebers unterliegt. Auch bei ungewisser Dauer der Betriebsratstätigkeit »konkretisiere« sich die arbeitsvertragliche Leistung nach deren Beendigung wieder, so dass die volle Weisungsgebundenheit also wieder einträte. Daraus folgt zwingend, dass keine Behinderung der Betriebsratsarbeit angenommen werden kann, weil sowohl das Mandat als auch seine Ausübung von der mehrfachen Betriebszugehörigkeit nicht tangiert werden.

Lesetipp der AiB-Redaktion:
»Wahlberechtigung und Wählbarkeit - Das muss der Wahlvorstand beachten« von Frank Siebens in »Arbeitsrecht im Betrieb« 10/2013, S. 547–551 .

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