Sonderzahlung - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Mitbestimmung bei betrieblicher Lohngestaltung

09. Juli 2014

Bietet der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern eine Einmalzahlung an, um einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung abzulösen, liegt darin eine Änderung der geltenden Entlohnungsgrundsätze, die der Mitbestimmung des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) unterliegt.

Orientierungssätze des Gerichts:

  1. Vereinbart ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern zusätzlich zu weiteren Entgeltbestandteilen einzelvertraglich einen Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung, ist diese Teil der vertraglich vereinbarten Gesamtvergütung.

  2. Bietet der Arbeitgeber später allen anspruchsberechtigten Arbeitnehmern für die Beseitigung des Anspruchs auf die Gewinnbeteiligung eine Einmalzahlung an, ändert er die bis dahin geltenden Entlohnungsgrundsätze.

  3. Das hierbei bestehende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG besteht unabhängig davon, ob die anstelle der Gewinnbeteiligung angebotene Einmalzahlung für den einzelnen Arbeitnehmer günstiger ist.


Quelle:
BAG, Beschluss vom 14.01.2014
Aktenzeichen: 1 ABR 57/12

Folgen für die Praxis

Anmerkung von Matthias Bauer, ehemals DGB Rechtsschutz GmbH

Eine psychiatrische Privatklinik mit 1100 Beschäftigten unterfällt keiner Tarifbindung. Stattdessen sind mit den Arbeitnehmern einzelvertraglich die Grundvergütung, Funktionszulagen, Zeitzuschläge, Verheirateten-/Lebenspartnerzuschlag und Einmalzahlungen vereinbart. Zu letzteren gehörte eine Gewinnbeteiligung vom erwirtschafteten Überschuss des Vorjahres. Einen Gewinn wies die Bilanz aber nicht aus.

Der Arbeitgeber entschloss sich daraufhin den Beschäftigten ein Vertragsänderungsangebot zu machen und statt der Gewinnbeteiligung einen Einmalbetrag von 3.000,- € zur Auszahlung zu bringen. Unabhängig von der Frage, wie viele Arbeitnehmer die Vertragsänderung angenommen haben, macht der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht geltend, weil die Entlohnungsgrundsätze geändert worden seien, § 87 Abs. 1 Nr.10 BetrVG (betriebliche Lohngestaltung).

Gewinnbeteiligung nicht isoliert betrachten
Das BAG gibt dem Betriebsrat Recht, indem es den Sachverhalt in den richtigen rechtlich verwertbaren Zusammenhang stellt. Die Gewinnbeteiligung sieht es nicht isoliert als freiwillige Leistung, deren Einstellung der Mitbestimmung entzogen ist. Es sieht sie als Teil der Gesamtvergütung, so dass eine Veränderung dieses Bestandteils auch als eine Veränderung des Gesamtentlohnungssystems begriffen werden kann. Eine solche Veränderung ist mitbestimmungspflichtig, auch wenn der freiwillige Einzelposten »Gewinnbeteiligung« ganz eingestellt wird, weil eben das Gesamtgefüge der Entlohnung eine Veränderung erfährt.

Für die Betriebsratspraxis ist weiter wichtig, dass es dabei unerheblich ist, aus welchem Rechtsgrund die Leistung erfolgt oder ausgewiesen ist, wenn es sich nicht ausschließlich um Lohn handelt. Diese Materie bliebe der betrieblichen Mitbestimmung verschlossen, weil sie den Tarifparteien vorbehalten ist, selbst wenn keine Tarifbindung besteht. 

Mitbestimmung hängt nicht von Günstigkeit der Regelung ab
Hier handelte es sich aber um freiwillige Bestandteile der Gesamtvergütung, deren Ausgestaltung- nicht Dotierung - der Mitbestimmung eben wegen ihrer kollektiven Zielrichtung unterliegt. Selbst dann, wenn das Angebot auf Zahlung von 3.000,- € günstiger wäre als eine spätere Betriebsvereinbarung, tangierte das im Übrigen nicht das Mitspracherecht über die nähere Ausgestaltung. Den Beschäftigten stünde es frei, sich nach dem arbeitsrechtlichen Günstigkeitsprinzip auf die bessere einzelvertragliche Bestimmung zu berufen.

Lesetipp der AiB-Redaktion
»Änderung des Lohn- und Gehaltsgefüges« von von Sonja Austermühle in »Arbeitsrecht im Betrieb« 9/2007, S. 532–535.

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