Telearbeit - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Arbeitgeber kann Telearbeit nicht einseitig beenden

11. November 2014

Der Arbeitgeber kann eine Vereinbarung, die dem Arbeitnehmer ermöglicht, zu mindestens 40 % seiner Arbeitszeit per Computer von zu Hause aus zu arbeiten, nicht einseitig kündigen. Zudem stellt die Beendigung der Telearbeit eine Versetzung im Sinne des BetrVG dar, die eine Zustimmung des Betriebsrats erfordert.

Kundenbetreuer arbeitet zu mindestens 40 Prozent zu Hause

Der Kläger war bei der Beklagten, einer überregional tätigen Bank, zuletzt als Firmenkundenbetreuer tätig. Die Parteien vereinbarten im Jahr 2005 alternierende Telearbeit. Ausweislich dieser Vereinbarung war der Kläger zu mindestens 40 % an der häuslichen Arbeitsstätte tätig. Die betriebliche Arbeitsstätte war die Niederlassung der Beklagten, die je nach Verkehrsweg 70 bis 90 km vom Wohnort des Klägers entfernt lag.

Vereinbarung schließt Anspruch auf die Telearbeit aus

In der Vereinbarung zur Telearbeit hieß es, dass ein Rechtsanspruch auf einen alternierenden Telearbeitsplatz nicht begründet wird. Weiter war vereinbart, dass die häusliche Arbeitsstätte von beiden Parteien mit einer Ankündigungsfrist von vier Wochen aufgegeben werden kann. Nachdem die Parteien im Herbst 2013 erfolglos über die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhandelt hatten, kündigte die Beklagte die Vereinbarung der Telearbeit. Dabei beteiligte sie den Betriebsrat nicht.

Beendigung ohne Anhörung des Betriebsrats


Der Kläger ist der Ansicht, die Beendigung der Telearbeit sei unwirksam. Diese sei nur erfolgt, weil er sich nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingelassen habe. Die Beklagte ist der Ansicht, die Beendigung der Telearbeit sei nach der Vereinbarung wirksam. Sie habe zudem eine Umstrukturierung des Vertriebs vorgenommen. Das neue Vertriebskonzept stehe der Telearbeit entgegen.

Arbeitgeber kann Telearbeit nicht einseitig beenden


Das Landesarbeitsgericht hat der Klage ebenso wie das Arbeitsgericht stattgegeben und festgestellt, dass die Beendigung der alternierenden Telearbeit unwirksam ist und die Beklagte verurteilt, den Kläger weiter zu mindestens 40 % an seiner häuslichen Arbeitsstätte zu beschäftigen. Eine Abrede in allgemeinen Arbeitsvertragsbedingungen, welche die Beendigung einer vereinbarten alternierenden Telearbeit für den Arbeitgeber voraussetzungslos ermöglicht und nicht erkennen lässt, dass dabei auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, ist wegen Abweichung von dem gesetzlichen Leitbild, wonach die Bestimmung des Arbeitsortes durch den Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu erfolgen hat (§ 106 Satz 1 GewO), unwirksam.

Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung erforderlich

Es fehlte zudem an der Zustimmung des Betriebsrats. Die Beendigung alternierender Telearbeit stellt regelmäßig eine Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes dar. Dies gilt auch dann, wenn ein Ortswechsel für das Arbeitsverhältnis typisch ist, weil der Arbeitnehmer als Marktverantwortlicher seine Arbeit zu einem Großteil bei den Kunden erbrachte. Die Einbindung des Arbeitnehmers in den Betriebsablauf und die Aufgabenerfüllung ist auch bei teilweiser Telearbeit aufgrund von deren Besonderheiten eine völlig andere als ohne Telearbeit, so dass sich bei der Beendigung der Telearbeit das Bild der Tätigkeit grundsätzlich ändert. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.

Folgen für die Praxis

Anmerkung von Carsten Schuld. DGB Rechtsschutz GmbH

Heimarbeit, Telearbeit, Homeoffice – die Arbeit außerhalb des Büros ist für viele Beschäftigte reizvoll. Für einen Teil liegt die Motivation zur Telearbeit oft in der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf; bei anderen herrscht der Wunsch einer Vermeidung langer Anfahrtswege oder nach einer ruhigen Arbeitsatmosphäre vor, mit besserer Konzentration oder weniger Ablenkung. Von Seiten der Arbeitgeber werden Vereinbarungen zu Telearbeit eher als Zugeständnis an die Interessen der Beschäftigten betrachtet. Gerade im Dienstleistungssektor und im administrativen Bereich nimmt Telearbeit aber stetig zu.

Betriebsverfassungsrechtlich gesehen ist die Veränderung von fester Büroarbeit zur Telearbeit eine Versetzung. Der Betriebsrat muss zu der Versetzung um Zustimmung nachgefragt werden und kann diese unter bestimmten Umständen verweigern. Dabei sollte der Betriebsrat prüfen, ob durch die Telearbeit nicht doch Nachteile wie verdeckte Mehrarbeit für den betreffenden Arbeitnehmer entstehen. Oder wenn die möglichen Telearbeitsplätze begrenzt sind, ob aus sozialen Gesichtspunkten die Telearbeit nicht einer anderen Arbeitnehmerin zuerst angeboten werden kann. Gleiches gilt für den Wechsel zurück zur regelmäßigen Arbeit mit Präsentpflicht.

Telearbeit wird häufig gerade neuen und umworbenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angeboten, um diese für das Unternehmen zu gewinnen oder im Unternehmen zu halten. Hier können Betriebsräte die Zustimmung zur Einstellung oder zur Versetzung nutzen, um die Bedingungen der Telearbeit im Unternehmen mitzugestalten. Die Mitbestimmung hierzu ergibt sich auch aus § 87 Abs. 1 BetrVG.

Lesetipp der AiB-Redaktion:
»Versetzung und Umsetzung - Das sind die problematischen Fallgestaltungen« von Nadine Burgsmüller in »Arbeitsrecht im Betrieb« 3/2013, Ausgabe S. 166–169.

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