Arbeitnehmerhaftung - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Früherer Geschäftsführer haftet nicht für Kartellbuße

12. Februar 2015

Ein Unternehmen, das mit einer Kartellbuße belegt wird, kann dafür keinen Ersatz von einem früheren Geschäftsführer verlangen. Der Zweck der Kartellbuße besteht darin, die unrechtmäßigen Gewinne des Unternehmens abzuschöpfen.

Bußgelder wegen Preisabsprachen

Das Bundeskartellamt hatte gegen ein Unternehmen des ThyssenKrupp-Konzerns (K1) Bußgelder von 103 Mio. Euro und von 88 Mio. Euro verhängt. Dem Unternehmen wurden rechtswidrige Kartellabsprachen beim Vertrieb von Schienen und anderer Oberbaumaterialien (bekannt geworden als »Schienenkartell«) vorgeworfen.

Früherer Geschäftsführer wird verantwortlich gemacht

Das Unternehmen (K1), seine Obergesellschaft innerhalb des Konzerns (K2) und die Muttergesellschaft des Konzerns (KM) machen einen ehemaligen Mitarbeiter für die Geldbuße verantwortlich. B war von 2003 bis 2009, als die Kartellverstöße begangen wurden, Geschäftsführer der K1, von 1999 bis Mitte 2011 Geschäftsführer der K2.

B war von 2009 bis 2011 als Arbeitnehmer bei der KM angestellt und schied aufgrund eines Aufhebungsvertrags aus. Mit ihrer Klage vor den Arbeitsgerichten nehmen die drei Gesellschaften B. auf Erstattung der von K1 gezahlten Kartellbuße in Gesamthöhe von 191 Mio. Euro in Anspruch.

Weiterhin wollen alle drei Gesellschaften feststellen lassen, dass B für alle Schäden mithaftet, die aus den rechtswidrigen Kartellabsprachen entstanden sind und noch entstehen werden. Sie sind der Ansicht, dass B an den Kartellabsprachen aktiv beteiligt gewesen sei. Zumindest habe er unterlassen, den Geschäftsbereich »Compliance« des Konzerns zu informieren. Damit sei er seinen Aufsichtspflichten als Geschäftsführer nicht nachgekommen.

Unternehmensgeldbuße nicht erstattungsfähig

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die Klage durch ein Teilurteil gegenüber der K1 und der K2 abgewiesen, soweit es die Kartellbußen in Höhe von 191 Mio. betraf. Die Obergesellschaft K2 Klage erhoben hat, habe nicht einmal einen eigenen Schaden erlitten.

Soweit die mit der Buße belegte Gesellschaft K1 Klage erhoben hat, begründete das Gericht die Klageabweisung damit, die vom Bundeskartellamt gegenüber der Gesellschaft verhängte Buße sei im Verhältnis zum Beklagten als natürlicher Person nicht erstattungsfähig.

Dies ergebe sich aus der Funktion der Unternehmensgeldbuße. Diese kann auch den durch den Kartellverstoß erzielten Vorteil bei dem Unternehmen abschöpfen. Dies würde unterlaufen, wenn das Bußgeld an die handelnde Person weitergereicht werden könnte.

Kartellstrafe soll Gewinn beim Unternehmen abschöpfen

Das Kartellrecht unterscheidet zudem zwischen Bußgeldern gegen Unternehmen und gegen natürliche Personen. Eine Buße gegen eine natürliche Person ist auf 1 Mio. Euro begrenzt, während der Rahmen bei einem Unternehmen 10 vom Hundert des Gesamtumsatzes ausmachen kann. Dieser differenzierte Bußgeldrahmen würde ins Leere laufen, wenn die Unternehmensgeldbuße an die gesetzlich privilegierte natürliche Person weitergereicht werden könnte. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Rechtsfrage hat das Gericht betreffend sein Teilurteil die Revision zugelassen.

Quelle:
LAG Düsseldorf, Teilurteile und Beschlüsse vom 20.01.2015 - 16 Sa 459/14; 16 Sa 460/14; Beschluss vom 20.01.2015 - 16 Sa 458/14
LAG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 20.01.2015

Folgen für die Praxis

Mit Anmerkungen von Matthias Bauer, ehemals DGB Rechtsschutz GmbH

Über die Medien war der Sachverhalt der Öffentlichkeit bekannt gemacht worden: Schienenhersteller hatten den Kartellwächtern zufolge jahrelang ihre Preise abgesprochen. Nach den Erkenntnissen der Kartellwächter hatten die beteiligten Hersteller ihren Kunden mindestens ein Jahrzehnt lang zu hohe Preise berechnet.

Die Strafe fiel entsprechend hoch aus und sollte das Unternehmen des vorliegenden Verfahrens eindringlich von Wiederholungstaten abschrecken. Genau das ist der Sinn und Zweck von Geldstrafen. Sie müssen so empfindlich sein, dass bei einer ähnlichen Versuchung das Gedächtnis die schmerzhafte Empfindung bei der Strafverhängung in Erinnerung ruft, die dann von einer nochmaligen Tatbegehung abschreckt. Das Gesetz sieht vor, dass mit der Geldbuße auch der mit dem rechtswidrigen Verhalten erzielte zusätzlichen Gewinns abgeschöpft wird.

Unternehmen darf sich nicht der Verantwortung entziehen

In wessen Gedächtnis soll der beschriebene Reflex verankert sein? Wenn es dem Unternehmen möglich wäre, die Geldstrafe an den verantwortlichen Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzenden weiterzureichen, wäre es für das Unternehmen recht einfach sich jeder Verantwortung, auch für die Zukunft, zu entziehen. Der persönlich verantwortliche Geschäftsführer trägt die Strafe und wird gefeuert, während der neue Geschäftsführer exakt dem gleichen Druck unterlegen ist, weiterhin zum Zwecke der Gewinnmaximierung zu Gunsten der Shareholder auch illegale oder halblegale Wege ins Auge zu fassen.

Die Strafe muss daher sinnvollerweise das kollektive Gedächtnis des Unternehmens treffen und das ist eben die Bilanz. Die Bücher werden es für die Zeit der Existenz des Unternehmens festhalten, wann und wie hoch der Verlust, genannt Minuswachstum, für die Shareholder war und eventuell welche Börsenreaktionen die Folge waren. Dort befindet sich die höchst sensible Stelle des kollektiven Unternehmensgedächtnisses.

Eine Übernahme von Verkehrsbußgeldern wäre auch sittenwidrig

Eine vergleichbare Situation im Bereich der Arbeitnehmerschaft sei hier in Erinnerung gerufen, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen. Besonders in der Transportbranche gibt es, oft vertraglich fixiert, Absprachen zur noch intensiveren Ausnutzung der Arbeitszeit und des Fahrzeugs. Offen oder verdeckt werden die Fahrer zu Lenkzeitüberschreitungen und sonstigen verkehrswidrigen Verhaltensweisen mit der Zusage verleitet, der Arbeitgeber werde die Bußgelder abdecken.

Das BAG hat diese Absprachen für eindeutig sittenwidrig erklärt (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2001 - 2 AZR 465/00). Verweigert also etwa der Arbeitgeber die Übernahme von Bußgeldern, so sind diese nicht einklagbar. Etwaig gezahlte Beträge können allerdings auch nicht vom Unternehmen zurückgefordert werden.

Betriebsrat sollte das Verfahren aufmerksam verfolgen

Nun gehören Geschäftsführer nicht zum Klientel von Betriebsräten. Gleichwohl dürfte für letztere von taktischem Interesse sein, in welchen Schuhen ihre regelmäßigen Verhandlungspartner stehen. Das gilt auch für den Teil des Verfahrens, der abgetrennt und noch nicht entschieden wurde, während der hier besprochene Teil den Weg in die Revision beim BAG antritt.

Der Geschäftsführer soll nämlich noch verurteilt werden, zusätzlich 100 Mio. € an Schadenersatz für wirtschaftliche Folgen des Kartellrechtsverstoßes zu zahlen. Es soll weiterhin festgestellt werde, dass er für alle künftig noch entstehenden Schäden haftbar ist. Dazu wird der Sachverhalt noch aufgeklärt. Mit einer Verurteilung ist dann zu rechnen, wenn ihm für den Eintritt dieser Schäden ein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden kann.

Lesetipp der AiB-Redaktion:
»Die Haftung des Arbeitnehmers - Eine systematische Darstellung« von Brent Schwab in »Arbeitsrecht im Betrieb« 6/2012, S. 391-396.

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