Gewerkschaften - Der DGB Rechtsschutz kommentiert

Keine Belohnung für Gewerkschaftsaustritt

23. März 2016

Arbeitgeber dürfen keinen finanziellen Anreiz für das Austreten aus der Gewerkschaft bieten. Schon ein entsprechendes Angebot verletzt Verfassungsrecht. Sowohl die Gewerkschaft als auch das einzelne Gewerkschaftsmitglied sind vor solchen Vorgehensweisen geschützt.

Eine Reinigungsfirma beschäftigt etwa 250 Gebäudereiniger/innen. Nachdem Anfang 2016 der Mindestlohn im Gebäudereinigerhandwerk erhöht worden war, wollte das Unternehmen Kosten einsparen. Weil die Arbeitsstunde teurer wurde, sollte schneller gearbeitet werden. Die Reinigungskräfte mussten jetzt in drei Stunden eine Fläche reinigen, für die sie vorher vier Stunden Zeit hatten.

Die Gewerkschaft greift ein

Die zuständige IG BAU wurde auf diese Missstände aufmerksam und klärte die Belegschaft über Ihre Rechte auf. Zudem wies sie die Betreiber der Kliniken und Altenheime, in denen das Unternehmen die Reinigung übernimmt, auf den Zustand hin.

Die Reinigungsfirma wollte dies unterbinden. Das Unternehmen schrieb seine Mitarbeiter an und lobte eine Prämie in Höhe von 50 Euro für den Austritt aus der Gewerkschaft aus. Außerdem hielt der Arbeitgeber vorgefertigte Austrittsschreiben bereit.

Arbeitnehmer und Gewerkschaft haben Recht und bekommen Recht

Die IG BAU wehrte sich und beantragte beim Arbeitsgericht, dem Unternehmen ein solches Verhalten zu untersagen. Das Gericht gab dem Antrag statt und verbot sowohl die Prämie als auch den Vordruck. Sollte die Firma die Verbote nicht beachten, droht ihr ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 Euro.

Finanzieller Anreiz verletzt verfassungsrechtlich geschützte Rechte

Die Freiheit eines Arbeitnehmers, einer Gewerkschaft beizutreten und sich entsprechend zu betätigen, ist ein hohes Gut. Gleiches gilt für die Rechte der Gewerkschaften selbst. Beides wird durch Art. 9 GG geschützt und garantiert. Dementsprechend konsequent entschied das ArbG und untersagte das Verhalten des Arbeitgebers.

Soweit der Arbeitgeber den Gewerkschaftsaustritt belohnt und durch vorgefertigte Schreiben vereinfacht, trifft dies die jeweilige Gewerkschaft in ihrem Bestand. Treten Mitglieder aus, wird die soziale Mächtigkeit geschwächt. Damit schwindet auch die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen.

Praxistipp: Frage nach Gewerkschaftszugehörigkeit

In einem engen Zusammenhang mit dem geschilderten Problem steht das Recht des Arbeitgebers, nach der Gewerkschaftszugehörigkeit zu fragen. Denn die Arbeitnehmer hätten schlechterdings nicht in den Genuss der ausgelobten Prämie kommen können, ohne ihre Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft zu offenbaren.

Bereits im Jahr 2014 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass die Frage des Arbeitgebers nach der Mitgliedschaft in einer bestimmten Gewerkschaft, also etwa der IG BAU, unzulässig ist.

Mitsprache des BR bei Befragung und Datenerhebung

Arbeitgeber sind daran interessiert, über ihre Mitarbeiter umfassend informiert zu sein. Im Gegensatz dazu will ein Arbeitnehmer möglichst wenig von sich Preis geben. Folglich ist eine Datenerhebung ohne Zustimmung der Mitarbeiter unzulässig. Unternehmen führen daher häufig Mitarbeiterbefragungen durch. Dabei hat der Betriebsrat nicht nur ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Er kann auch Auskunft über die Auswertung der Befragung verlangen.

Aber auch bei scheinbar gut gemeinten Maßnahmen des Arbeitgebers, etwa Aktionen zum Gesundheitsschutz (z. B. Rückenschule), sollte der Betriebsrat aufpassen. Auch hier können Mitarbeiter leicht Daten Preis geben, die sich später negativ auswirken können.

Lesetipp:

»Vorteilsregelungen für Gewerkschaftsmitglieder: Analyse und neue Wege« von Schmalz/Mück in Arbeitsrecht im Betrieb 2/2012, S. 85-91.

ArbG Gelsenkirchen, 09.03.2016 - 3 GA 3/16

Bastian Brackelmann, DGB Rechtsschutz GmbH

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