Lehrling wegen Diebstahls gekündigt
Der warf Arbeitgeber einem Azubi im dritten Ausbildungsjahr, einem angehenden Schreiner, einen versuchten Diebstahl von betrieblichem Eigentum vor. Der Azubi soll versucht haben, auf einer Baustelle Edelstahlschrauben im Wert von 40 Euro mitgehen zu lassen.
Der Arbeitgeber kündigte daraufhin fristlos. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage blieb in der zweiten Instanz erfolglos.
Nach den Zeugenaussagen sah das Gericht es als erwiesen an, dass der Azubi die Schrauben an sich genommen hatte. Erschwerend kam hinzu, dass der Azubi danach versucht haben soll, den Diebstahl zu vertuschen. Dies wertete das Gericht als schwere Verfehlung, die zur berechtigten Kündigung führe.
Wann ein Berufsausbildungsverhältnis vom Arbeitgeber bzw. Ausbildungsbetrieb gekündigt werden kann, richtet sich nach § 22 Berufsbildungsgesetz (BBiG). Innerhalb der Probezeit ist die Kündigung jederzeit ohne Angabe von Gründen und ohne Einhaltung einer Frist möglich. Die Probezeit darf zwischen einem und vier Monaten betragen. Nach der Probezeit ist nur eine außerordentliche Kündigung möglich. Wie bei einem Arbeitsverhältnis muss für die außerordentliche Kündigung ein wichtiger Grund für die Kündigung vorliegen.
Vermögensdelikte zu Lasten des Arbeitgebers sind in der Regel immer ein wichtiger Grund und für eine fristlose Kündigung ausreichend. Das gilt auch dann, wenn der Diebstahl über einen Versuch nicht hinausgekommen ist. Begründet wird dies damit, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall nicht mehr darauf vertrauen könne, dass sich der Arbeitnehmer in Zukunft korrekt verhalte.
Ausnahmen gibt es in Bagatell-Fällen, in denen der Wert der Sache in krassem Missverhältnis zum Verlust eines langjährigen Arbeitsplatzes steht. Ein berühmtes Beispiel: Ein 50-Cent-Pfandbon, der von einer seit zwanzig Jahren im Unternehmen beschäftigten Kassiererin eingesteckt wird – oder auch der Verdacht einer solchen Tat (Fall »Emmely«, BAG, 10.06.2010 - 2 AZR 541/09, kommentiert von Herbert Grimberg in AiB 1/2011, S. 64-65).
Bei Streitigkeiten im Ausbildungsverhältnis ist häufig die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens erforderlich, bevor das Arbeitsgericht angerufen werden kann. Ein in solchen Fällen zuständiger Schlichtungsausschuss ist bei vielen Handwerkskammern oder Industrie- und Handelskammern gebildet, siehe § 111 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG).
Der Ausschuss setzt sich zusammen aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Er muss die Parteien mündlich anhören. Erst nach seinem Spruch ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen Klage beim Arbeitsgericht zulässig.
Ein Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) im Betrieb kann während seiner Amtszeit gleichfalls nur außerordentlich gekündigt werden. Vor der Kündigung muss allerdings auch der Betriebsrat noch zugestimmt haben.
Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Zustimmung auf entsprechenden gerichtlichen Antrag vom Arbeitsgericht ersetzen zu lassen. Erst wenn das Arbeitsgericht diesem Antrag entspricht, kann gekündigt werden.
Das JAV-Mitglied hat im Übrigen einen Anspruch auf Übernahme nach der Ausbildung. Dieser Anspruch muss aber innerhalb von drei Monaten vor Ende des Ausbildungsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden. Der Arbeitgeber kann dann nur gerichtlich geltend machen, dass ihm die Weiterbeschäftigung nicht zumutbar sei.
Wehren gegen Verdachtskündigung: »Azubi unter Verdacht« von Kathrin Schlegel in
AiB 1/2016, S. 47-48.