Datenschutz

Verbotene Früchte

01. Februar 2017

Ein Verbot privaten Surfens am Arbeitsplatz rechtfertigt nicht, den Computer eines »verdächtigen« Arbeitnehmers heimlich mit einem Keylogger zu überwachen - einem Programm, das alle Tastatureingaben und Mausklicks aufzeichnet. Dann gilt die Lehre von der »verbotenen Frucht«: Das Gericht berücksichtigt die Erkenntnisse nicht - und hebt die darauf gestützte Kündigung auf.

Arbeitgeber untersagt und kontrolliert

Ein Arbeitnehmer nutze seinen dienstlichen PC zu privaten Zwecken obwohl der Arbeitgeber dies verboten hatte. Der Arbeitnehmer programmierte – privat – ein Computerspiel und spielte dieses regelmäßig während der Arbeitszeit. Der Arbeitgeber hatte einen Verdacht und ließ ohne das Wissen des Arbeitnehmers eines Keylogger installieren. Damit wurden Screenshots erstellt und alle Tastatureingaben am PC protokolliert und waren für den Arbeitgeber einsehbar und auswertbar.
Der Arbeitgeber kündigte daraufhin fristlos hilfsweise ordentlich und bezog sich auf die Log- Dateien als Nachweis für die verbotene private Nutzung. Dies ließ der Arbeitnehmer nicht auf sich sitzen und erhob Kündigungsschutzklage. Er gewann in beiden Instanzen, weil die Daten der privaten Nutzung einem Beweisverwertungsverbot unterlagen. Der Arbeitgeber konnte damit seine Kündigung nicht rechtfertigen.

Privates Surfen als Arbeitszeitbetrug

Generell kann eine untersagte private Nutzung der PCs/Internet während der Arbeitszeit einen Kündigungsgrund darstellen. Hintergrund ist ein Arbeitszeitbetrug, da man in dieser Zeit privaten Dingen nachgeht, die Arbeitszeit aber vom Arbeitgeber bezahlt wird. Eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung kann daher gerechtfertigt sein (siehe hierzu das BAG vom 07.07.2005 - 2 AZR 581/04).

Beweisverwertungsverbot

Der Arbeitnehmer hatte im vorliegenden Fall aber Recht, dass er trotz der nicht erlaubten Nutzung gegen die Kündigung klagte. Die heimliche Installation des Keyloggers griff in massiver Weise in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Rechtsprechung aus den Grundrechten der Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes (GG) herleitet. Es wurden dabei hoch sensible Daten wie Benutzernamen, Passwörter und PINs gespeichert und Bilder vom aktuellen Bildschirm erstellt. Damit kannten folglich alle an der Überwachung Beteiligten die Passwort und die Daten der Kreditkarte des Klägers.

Keine erlaubte Datenverarbeitung

Der Eingriff war nach Ansicht des Gerichts nicht durch das Recht des Arbeitgebers gerechtfertigt, im Arbeitsverhältnis Daten der Arbeitnehmer zu sammeln und zu verarbeiten (§ 32 Bundesdatenschutzgesetz - BDSG).

Der Eingriff in das Grundrecht war so massiv, dass die Verwertung der heimlich beschafften Daten und Erkenntnisse als unzulässig anzusehen war. Es lag ein Beweisverwertungsverbot vor, das nach Ansicht des LAG Hamm auch im Kündigungsschutzprozess gilt.

Der Arbeitgeber ging in die Revision, so dass die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Das Verfahren ist beim BAG anhängig unter Aktenzeichen 2 AZR 681/16.

Praxistipp:Hohe Anforderungen an verdeckte Kontrollen

Generell hat das BAG in der Vergangenheit hohe Anforderungen gestellt, wenn Arbeitgeber ihre Beschäftigten durch technische Maßnahmen überwachen wollen (vgl. zur Videoüberwachung: BAG vom 21.11.2013 - 2 AZR 797/11). Generell gilt, dass der Arbeitgeber zur Überwachung nur die mildeste geeignete Maßnahme ergreifen darf. Das heißt, der Arbeitgeber darf keine permanente Überwachung anordnen, wenn eine befristete genügt. Er muss den Betriebsrat hinzuziehen und das Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wahren. Daher ist davon auszugehen, dass das BAG die Entscheidung des LAG Hamm in diesem Verfahren bestätigen wird.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die zum Überwachen der Arbeitnehmer dienen, hat der Betriebsrat richtigerweise nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitzubestimmen. Dies gilt vor allem, wenn das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer überwacht werden sollen. Hierzu gehören Kameraaufnahmen, Tonaufnahmen, Stechuhren, Fahrtenschreiber oder sonstige Soft- und Hardware zur Datenerhebung und – auswertung. Kommt also der Arbeitgeber auf die Idee, eine Überwachung einführen zu wollen, kann der Betriebsrat dies immer kritisch hinterfragen und im Einzelfall sein Veto einlegen.

Eingriff möglichst klein halten

Eine Kontrolle von Mitarbeiterin, wie auch immer sie geartet ist, stellt einen Eingriff in deren Grundrechte dar, der im Zweifel vermieden werden sollte. Kooperiert der Arbeitgeber nicht, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen (§ 87 Abs. 2 BetrVG). Führt der Arbeitgeber die technische Überwachung einseitig ein oder gibt es mildere Mittel, kann der Betriebsrat fordern, dass die Einrichtung nicht genutzt und beseitigt wird. Dies geht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren oder auch durch eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht.

Lesetipp:

Muster für eine Betriebsvereinbarung »Verhaltenskontrolle durch Smartphones«.

LAG Hamm, 17.06.2016 - 16 Sa 1711/15Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH
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