Kündigung

Das Gebot von Treu und Glauben

01. Februar 2017

Obwohl kleine Betriebe in Deutschland einen Großteil der Arbeitsplätze stellen, gibt es im Handwerk und in Arztpraxen mit unter zehn Mitarbeitern nur wenig Kündigungsschutz: Zwar darf auch in Kleinbetrieben eine Kündigung nicht gegen »Treu und Glauben« verstoßen - das Schutzniveau des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) wird damit allerdings nicht erreicht..

Die Klägerin ist seit dem 15.09.2014 als medizinische Fachangestellte bei einer Ärztin mit 12 Stunden in der Woche angestellt. Es werden weniger als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt. Im Jahr 2015 war sie mehrfach erkrankt. Ab dem 08.06.2015 wurde eine neue Mitarbeiterin mit 20 Stunden in der Woche als medizinische Assistentin eingestellt. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis am 14.07.2015 zum 15.08.2015 unter Hinweis auf betriebsbedingte Gründe.

Kündigung nach mehreren Krankmeldungen

Die Klägerin meint, die Kündigung sei nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam, da das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Aufgrund der Neueinstellung im gleichen Arbeitsbereich wird ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme vermisst. Es hätte eine Auswahlentscheidung getroffen werden müssen. Diese wäre wegen der längeren Betriebszugehörigkeit zu Gunsten der Klägerin ausgefallen. Diese Willkür werde auch nicht durch Krankheitszeiten und damit durch einen weiteren Kündigungsgrund ausgeräumt. Fehlzeiten von sechs Wochen seien nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) für den Arbeitgeber zumutbar. Diese Regelung gelte auch in Kleinstbetrieben.

Verstoß gegen Treu und Glauben?

Der Grundsatz von Treu und Glauben stellt eine so genannte Auffangnorm dar. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen dieses Grundsatzes konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes geht. Soweit das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt, ist daher auch für die Anwendung von § 242 BGB nur Raum, wenn der Arbeitnehmer Gründe gegen seine Kündigung vorgebringen kann, die nicht von § 1 KSchG erfasst werden.

Kündigungsschutz außerhalb des KSchG

Zu diesen Fällen außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes gehört, dass der Arbeitgeber seine Kündigung auf willkürliche oder sachfremde Erwägungen angestellt hat, also den Arbeitnehmer z. B. wegen Geschlecht oder Herkunft diskriminiert.
Auch ein Mitarbeiter mit langer Betriebszugehörigkeit muss »nach Treu und Glauben« vor einer betriebsbedingten Kündigung geschützt werden, wenn dessen Betriebszugehörigkeit im Vergleich zum Gekündigten um viele Jahre länger ist.
Sobald aber ein »irgendwie einleuchtender« sachlicher Grund für die Kündigung vorliegt, etwa im Leistungsverhalten des Arbeitnehmers, greift § 242 BGB nicht. Das ist ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), vgl. BAG v. 21.02.2001 – 2 AZR 579/99; BAG v. 28.08.2003 – 2 AZR 333/02.
Hier hat sich der Arbeitgeber darauf berufen können, dass die Fehlzeiten der Klägerin zu betrieblichen Problemen geführt haben, da ihre Arbeit ausgeführt werden musste. Damit gab es sowohl betriebliche als auch personenbedingte Gründe für die Kündigung. Daher ist ein Verstoß gegen Treu und Glauben nicht feststellbar.

Praxistipp:Kündigungsschutz in gesetzlichen Sonderfällen

Erfolgreich gegen eine Kündigung außerhalb des Anwendungsbereiches des Kündigungsschutzgesetzes vorzugehen, ist die Ausnahme. Zudem trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Diese Fälle sind gesetzlich geregelt:

  • Verstoß gegen Treu- und Glauben § 242 BGB
  • Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) § 1 AGG
  • Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB
  • Nichtbeachtung des Kündigungsschutzes bei Schwerbehinderten, Schwangeren, Arbeitnehmern in Elternzeit
  • Betriebsratsmitgliedschaft

In Betrieben ab fünf Beschäftigten kann ein Betriebsrat gewählt werden (§1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)). Dieser hat selbstverständlich Kündigungsschutz. Er muss aber auch zur Kündigung eines Arbeitnehmers nach § 102 BetrVG angehört werden. Diesem muss der Arbeitgeber auch die Kündigungsgründe nennen.

Lesetipp:

Mehr zum Thema lesen Sie in AiB:Assist im Betriebsrats-Lexikon unter »Kündigung, ordentliche« .

LAG Rheinland-Pfalz, 11.10.2016 - 1 Sa 89/16Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH
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