Computer hochfahren ist Arbeitszeit
Der Kläger ist Mitarbeiter in einem Callcenter. Er führt mit Kunden Telefongespräche. Zu Beginn jedes Arbeitstages muss er den PC starten und verschiedene Programme öffnen. Dies geschieht unter unterschiedlichen Benutzernamen und Passwörtern. Dazu sind täglich rund zehn Minuten erforderlich. Erst wenn dies erledigt ist, kann er mit der eigentlichen Tätigkeit, dem Telefonieren mit den Kunden beginnen.
Der Arbeitgeber ist der Ansicht, erst mit voller Einsatzfähigkeit setze die vergütungspflichtige Arbeitszeit ein. Damit war der Kläger nicht einverstanden. Er verklagte den Arbeitgeber auf Anerkennung und damit Bezahlung der Rüstzeit.
Systembedingte Arbeitsvorbereitungszeiten, wie das Starten des PC, das Anlegen von Schutzkleidung, das Anziehen von Kleidung mit Firmenlogo oder die Entgegennahme von Arbeitsmitteln, wird allgemein als „Rüstzeit“ bezeichnet. Es handelt sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit. Zeiten, die nötig sind, um überhaupt die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, dienen einem fremden Bedürfnis und damit dem Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer ist erst einsatzfähig, wenn die Arbeitsvorbereitung abgeschlossen ist.
Zutreffend hat das Gericht die strittige Zeit zugesprochen. Problematisch wird es hingegen, wenn zur Rüstzeit auch etwa das Bedürfnis der Reinigung des Körpers durch eine Dusche gezählt werden soll. Dabei handelt es sich grundsätzlich um eine eigenbestimmte Zeit, welche nicht zu bezahlen ist. Es kommt nicht auf das persönliche Bedürfnis an, sondern es müsste konkret der Verschmutzungsgrad dargetan werden (vgl. BAG v. 10.11.2009 – 1 ABR 54/08; siehe AiB 11/2015, S. 60). Es bleibt zu hoffen, dass sich hier die Rechtsprechung noch ändern wird.
Der zeitliche Umfang der „Rüstzeit“ wird nach allgemeinen Grundsätzen berechnet. Der Arbeitnehmer muss unter angemessener Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit die Zeit stoppen. Hat er dies getan, muss der Arbeitgeber den Vortrag konkret/substantiiert bestreiten. Erst dann hat der Arbeitnehmer Beweis anzutreten, wie er die Zeit ermittelt hat.
Auch wenn viele Arbeitnehmer vom gleichen Problem betroffen sind, muss jeder den Prozess für sich führen. Das deutsche Arbeitsrecht kennt keine Popularklagen.Über § 87 Absatz 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz hat der Betriebsrat Einflussmöglichkeiten. Dort geht es nämlich um den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit.
Um Streit zu vermeiden, sollte eine Betriebsvereinbarung angestrebt werden. Dort könnte für jeden gleich festgelegt werden, wieviel Zeit für die „Rüstzeit“ anerkannt wird. Es könnte ein Durchschnittswert für das Starten des PC, das Hochfahren der Programme festgelegt werden.
Das Gleiche gilt für das Anlegen von Schutzkleidung. Bei letzterem würden auch ansonsten Probleme zwischen Winter und Sommer entstehen. Im Sommer ist der Mensch eher leicht bekleidet. Das Aus- und Anziehen nimmt dann weiniger Zeit in Anspruch, als dies im Winter der Fall ist.
Rund um die Arbeitskleidung: »Kleider machen Leute« von Schulze/Schuhmacher in AiB 10/2014, S. 18-20.