Familienpolitische Teilzeit

Personalmangel reicht als Ablehnungsgrund nicht aus

14. August 2013

Der Dienstherr darf den Antrag auf Bewilligung einer Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen nicht alleine deshalb ablehnen, weil „dienstliche Belange“ entgegenstehen. Überlegungen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie müssen bei der Entscheidung mit einbezogen werden.

Der Fall:
Die Antragstellerin steht als Justizamtfrau im Dienste des Landes Hessen. Sie ist verheiratet und Mutter dreier Kinder. Ihr wurde wiederholt über Jahre eine Teilzeitbeschäftigung mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit auf der Grundlage des § 85 a Abs. 4 Nr. 1 HBG („familienpolitische Teilzeitbeschäftigung“) bewilligt.

Ihrem neuerlichen Teilzeitantrag wollte der Dienstherr nicht in vollem Umfange entsprechen. Zur Begründung wurde auf die Änderung der bisherigen Entscheidungspraxis gemäß Rundverfügung verwiesen. Anträge auf Teilzeitbeschäftigung seien abzulehnen, soweit dienstliche Belange entgegenstünden.

Die Entscheidung:
Die Frau hatte mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vor dem VG Darmstadt Erfolg.

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Hessisches Gleichbehandlungsgesetz (HGlG) sollen Dienststellen Arbeitszeiten und sonstige Rahmenbedingungen anbieten, die den Beschäftigten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern, soweit dringende dienstliche Belange nicht entgegenstehen.

Hieraus ist nach Auffassung der Kammer abzuleiten, dass es nicht ausreichend sein kann, wenn seitens des Dienstherrn bei der Prüfung der Frage, ob im Anschluss an Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen weitere Teilzeitbeschäftigung gemäß § 85 a Abs. 1 HBG bewilligt werden kann, ausschließlich auf „dienstliche Belange“ wie Personal- oder Finanzsituation abgestellt wird und jegliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob der vom Dienstherrn zu fördernden Vereinbarkeit von Beruf und Familie„dringende dienstliche Belange“ entgegenstehen, unterbleibt.

Die in Bezug genommene Rundverfügung weist demzufolge ein strukturelles Defizit insofern auf, als sie alleine in der angespannten Personalsituation sowie der finanziellen Lage des Landes Hessen dienstliche Belange sieht, die die Ablehnung des Antrages nach § 85 a Abs. 1 HBG rechtfertigen sollen, ohne dass Überlegungen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in die Erwägungen einbezogen werden.

Die Richter betonten aber auch, dass es dem Antragsgegner nicht verwehrt ist, seine bisherige Praxis mit Übergangsfristen für die Zukunft zu ändern. Er wird hierbei allerdings auch der Frage nachgehen müssen, ob die nunmehr beabsichtigte Entscheidungspraxis sich als europarechtlich unzulässige mittelbare Frauendiskriminierung darstellt.

Denn es kann nach allgemeiner Erfahrungssätze davon ausgegangen werden, dass die Zahl der weiblichen Beschäftigten, denen bislang Teilzeitbeschäftigung nach Maßgabe des § 85 a Abs. 4 HBG bewilligt worden war, erheblich größer ist als die Zahl der entsprechenden männlichen Bediensteten.

Quelle:
VG Darmstadt, Beschluss vom 26.06.2013
Aktenzeichen: 1 L 713/13.DA

Lesetipp der Online-Redaktion:
» Stockfisch: Vereinbarkeit von Familie und Beruf - Auch ein Thema für Personalräte « in »Der Personalrat« Ausgabe 6/2010, S. 221.

© bund-verlag.de (ts)

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