Preisträger Gold - Deutscher Betriebsräte-Preis 2010

Gold_2010

Projekt: Rote Karte für Schlecker – Erfolgreich gegen Lohndumping durch Leiharbeit
Bewerber/in: Betriebsräte der Schlecker Bezirke Fürth/Herzogenaurach und Mayen
Beschäftigtenzahl: 300 und 100
Branche: Handel
Gewerkschaften: ver.di 

Stichworte zum Projekt

  • Engagierte Betriebsräte setzen auf kritische Öffentlichkeit und binden Politik, Medien sowie Kunden aktiv für ihre Ziele ein
  • Ergebnis: Beschäftigungssicherung und Entlohnung nach Tarif

Motiv

Die Drogeriemarktkette Schlecker führt seit 2008 Umstrukturierungen durch. Diese beinhalten u.a., dass die Filialen der Schlecker AS durch so genannte XL-Filialen ersetzt werden. Für die neuen Schlecker XL-Märkte hat das Unternehmen eine separate Gesellschaft gegründet, die anders als die AS-Filialen, nicht an den jeweiligen Einzelhandelstarif gebunden ist und in denen die Löhne deutlich unter den geltenden Tarifen liegen. Das Unternehmen hatte bereits mehrere Filialen geschlossen und dazu auch betriebsbedingte und verhaltensbedingte
Kündigungen ausgesprochen. Gleichzeitig gründete Schlecker das Zeitarbeitsunternehmen MENIAR (Menschen in Arbeit bringen), das für die personelle Ausstattung der neuen XL-Filialen kostengünstigere Leiharbeiter zur Verfügung stellt. Die langjährigen Mitarbeiter aus den AS-Filialen sollten nicht übernommen werden.
Vor diesem Hintergrund und der zu befürchtenden Ausdehnung des Einsatzes von Leiharbeitskräften und damit weiteren Lohn- und Arbeitsplatzverlusten sowie bisher tariflich zugesicherten Leistungen, organisierten die Betriebsräte verschiedener Schlecker-AS-Filialen Widerstand. Dazu zählen der Betriebsrat des Bezirks Fürth/Herzogenaurach und des Bezirks Mayen.

Vorgehen

Schlecker, Bezirk Fürth/Herzogenaurach
Die Interessenvertreter des Bezirks Fürth/Herzogenaurach nahmen an einer Schulung zum Thema Leiharbeit teil. Der Arbeitgeber sah keine Notwendigkeit in dieser Schulung und kürzte den Arbeitnehmern das Gehalt. Nach kurzer Zeit gingen beim Betriebsrat die ersten MENIAR-Anhörungen nach § 99 BetrVG ein. Die Zustimmung wurde vom Betriebsrat verweigert, und es kam zu mehreren Verfahren vor dem Arbeitsgericht Nürnberg. Nachdem dem Betriebsrat die MENIAR-Tarifübersicht vorlag, wurde zudem schnell deutlich, dass die darin festgeschriebenen Löhne für die Arbeitnehmer existentiell bedrohlich waren und bei diesem Lohnniveau Aufstockung durch staatliche Leistungen notwendig sind. Mitte Dezember 2009 beschloss der Betriebsrat schließlich, das Thema öffentlich zu machen und wandte sich an Politiker, Medien sowie Kunden und Kirchenvertreter.

Schlecker, Bezirk Mayen
Einen ähnlichen Weg gingen die Betriebsräte des Bezirks Mayen. Gemeinsammit ver.di nutzen sie ebenfalls die Öffentlichkeit, um auf die aus ihrer Sicht skandalösen Entwicklungen aufmerksam zu machen. Gestartet wurde die Aktion »Rote Karte für Schlecker«. Adressiert an den Firmeninhaber Anton Schlecker, wurden darin folgende Forderungen für die neuen Schlecker XL-Märkteaufgestellt:

  • Die Beschäftigten der dadurch geschlossenen Verkaufsstellen (SchleckerAS) zu übernehmen.
  • In den neuen XL-Märkten den Tarifvertrag Einzelhandel anzuerkennen und anzuwenden.
  • In den neuen XL-Märkten den bisherigen Betriebsrat in diesem Bezirk anzu erkennen.

Ergebnisse

Die öffentliche Resonanz und das umfangreiche Presseecho waren für alle Beteiligten überraschend. Sehr schnell wurde das Thema auch in den überregionalen Medien aufgegriffen. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen meldete sich zu Wort und sprach sich deutlich gegen Missbrauch bei Leiharbeit und damit einhergehenden Lohnverschlechterungen für die Stammbelegschaftenaus. Das Unternehmen Schlecker erklärte öffentlich, zukünftig nicht mehr mit der Leiharbeitsfirma MENIAR zusammen zu arbeiten. Darüber hinaus starteten in 2010 Verhandlungen von ver.di mit der Geschäftsleitung über die Tarifbindung bei Schlecker XL. Diese führten nach langen und zum Teil zähen Verhandlungsrunden schließlich dazu, dass mehrere Tarifverträge für die 34000 Beschäftigten der Schlecker AS und der Schlecker XL GmbH abgeschlossen wurden.
Vereinbart wurde ein Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung bei AS, ein Vertrag zur Tarifbindung bei Schlecker XL und ein Sozialtarifvertrag für AS. Das Engagement der einzelnen Betriebsräte, zuerst auf lokaler/Bezirksebene, deren enge Zusammenarbeit mit ver.di und die gezielte Ansprache der Öffentlichkeit stellten so sicher, dass alle Schlecker-Beschäftigten nach dem Einzelhandelstarifvertrag bezahlt werden. Nicht nur mit Medien und Politik wurden dazu Kontakte geknüpft und Gespräche geführt. Auch die aktive Einbeziehung der Kunden und die Informationen über die Gefahren von Lohndumping durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern halfen bei der Durchsetzung der Arbeitnehmerinteressen.