Preisträger Bronze - Deutscher Betriebsräte-Preis 2011

Bronze_2011

Projekt: Qualifizierung und Perspektiven statt Arbeitslosigkeit
Bewerber/in: Betriebsrat der Risse + Wilke Kaltband GmbH & Co. KG
Beschäftigtenzahl: 340
Branche: Kaltwalzwerk/Metallverarbeitung
Gewerkschaften: IG Metall

Stichworte zum Projekt

  • Betriebsrat verhandelt Maßnahmenpaket und verknüpft Interessenaus gleich mit Qualifizierung und Vereinbarungen bei anziehender Konjunktur
  • Beschäftigungsgesellschaft ermöglicht Übergang, Betriebsvereinbarung verhindert Leiharbeit und sichert Ausbildungsplätze


Motiv

Die Finanz- und Wirtschaftskrise traf im Jahr 2009 auch massiv die Risse + Wilke Kaltband GmbH & Co. KG in Iserlohn. Das Kaltwalzwerk mit rund 340 Mitarbeitern war mit einem drastischen Einbruch bei der Absatzmenge konfrontiert. Erwartet wurde ein weiteres Absinken der Mengenentwicklung und damit eine Fortsetzung dieser negativen wirtschaftlichen Tendenz auch für das Folgejahr. So wurde in 2009 mit einer fehlenden Kapazitätsauslastung von rund 40% gerechnet und bei einer möglichen Konsolidierung in den nachfolgenden Jahren mit einer fehlenden Auslastung von rund 25%.
Zur Sicherung der Unternehmensexistenz waren damit einschneidende Maßnahmen zur Kapazitätsanpassung und damit zur kurz-, mittel- und langfristigen Ergebnisverbesserung umgehend erforderlich.
Vor diesem Hintergrund nahm der Betriebsrat, unterstützt von der IG Metall,umgehend Gespräche mit der Geschäftsführung auf, um möglichst früh Maßnahmen einzuleiten. Diese sollten die zu erwartenden personellen Anpassungen, im Klartext Kündigungen, so gering wie möglich halten und gleichzeitig für die Betroffenen nachhaltige Perspektiven auch im Hinblick auf eine mögliche wirtschaftliche Erholung bieten.

Vorgehen

Es fanden zahlreiche Gesprächsrunden und Verhandlungen mit der Unternehmensleitung statt und der Betriebsrat konnte schließlich im Juni 2009 ein umfangreiches Regelungswerk und Maßnahmenpaket abschließen. Diese enthielten folgende Bestandteile:

  • Interessenausgleich
  • Sozialplan
  • Freiwillige Ergänzungsvereinbarung zum Interessenausgleich/Sozialplan
  • Betriebsvereinbarung als Zusatzvereinbarung zum Interessenausgleich/Sozialplan

Die Regelungen zum Interessenausgleich schrieben fest, dass Personalanpassungen für insgesamt 81 Stellen erfolgen. Diese sollten möglichst sozialverträglich durchgeführt werden. Um betriebsbedingte Kündigungen weitestgehend zu vermeiden, sollte unter anderem:

  • Leiharbeit auf das Nötigste beschränkt werden
  • Versetzung innerhalb des Unternehmens oder Hilfestellung bei der Vermittlung auf externe Arbeitsplätze erfolgen
  • die Möglichkeiten der Transfergesellschaft PEAG genutzt werden
  • jeder Aufhebungsvertrag auch in Verbindung mit einem Qualifizierungsange bot der PEAG geschlossen werden
  • der Austritt älterer Mitarbeiter im Rahmen vorzeitiger Pensionierung erfolgen
  • das Auslaufen bestehender befristeter Arbeitsverträge unter angemessener Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten erfolgen.

Zum Ausgleich und zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiter vereinbarten die Vertragsparteien ergänzend zum Interessenausgleich einen Sozialplan. Dieser enthält Regelungen zur Höhe der Entlohnung bei Weiterbeschäftigung im Unternehmen, Regelungen für ausscheidende Arbeitnehmer und unter anderem auch das Vorgehen bei Härtefällen sowie bei gesetzlichen/tariflichen Änderungen.
Begleitet wurden diese Vereinbarungen zum Interessenausgleich/Sozialplan durch eine freiwillige Ergänzungsvereinbarung. Darin wird das Procedere zur Nutzung der Transfergesellschaft PEAG Personalentwicklungs- und Arbeitsmarktagentur GmbH geregelt.
Danach erhalten Arbeitnehmer, die einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben oder denen betriebsbedingt gekündigt wurde, das Angebot, auf freiwilliger Basis in die Transfergesellschaft PEAG zu wechseln. Im Rahmen dieses Wechsels sind sie verpflichtet, an einer Maßnahme zur Feststellung der Leistungsfähigkeit, der Arbeitsmarktchancen und des Qualifikationsbedarfs teilzunehmen. An den Kosten für dieses »Profiling« beteiligt sich das Unternehmen. Die Verweildauer in der PEAG beträgt mindestens vier und maximal zwölf Monate. In dieser Zeit werden je nach Einzelfall verschiedene Maßnahmen durchgeführt. Dazu zählen Beratung, Qualifizierung, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Suche nach Einsatz-/Vermittlungsmöglichkeiten und Durchführung von Leiharbeitnehmertätigkeiten. Ein weiterer wichtiger und zentraler Bestandteil der Regelungen: Das Unternehmen beteiligt sich an den Qualifizierungsmaßnahmen in angemessener Höhe nach den Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit. Daneben sind die Vergütung während der Verweildauer und Abfindungszahlungen bei vorzeitigem Ausscheiden aus der PEAG geregelt.
Schließlich wurde im Rahmen der umfangreichen Regelungen auch eine Betriebsvereinbarung als Zusatz zum Interessenausgleich/Sozialplan geschlossen. Darin vereinbarten die Parteien unter anderem:

  • Sofern sich die Beschäftigungssituation über das im Interessenausgleich beschriebene Niveau verbessert und die vorhandene Belegschaftsstärke für die Produktion nicht ausreicht, wird das dann benötigte Personal grundsätzlich ausschließlich aus der Transfergesellschaft PEAG sowie ehemaligen Mitarbeitern der PEAG rekrutiert.
  • Für die Mitarbeiter, die aus der PEAG wieder zurück in das Unternehmen wechseln, vereinbarten die Parteien Regelungen zur Anerkennung von deren Dienstzeit, zur Gewährung von Dienstjubiläen, zum Anspruch auf eine Werksrente sowie zur Entgelthöhe.
  • Der Einsatz von Leiharbeitern ist ausschließlich in begründeten Ausnahmefällen möglich.
  • Das Unternehmen verpflichtet sich, im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten weiterhin Erstausbildung durchzuführen und auch über den Eigenbedarf Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.
  • Ansprüche auf eine Auszahlung aus dem ERA-Ausgleichsfonds

Ergebnisse

Der Betriebsrat reagierte frühzeitig auf die wirtschaftliche Krise und erarbeitete ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das gleichzeitig auf »Schadensbegrenzung« und Eröffnung von Perspektiven setzte.
Auf Grundlage der getroffenen Vereinbarung und verbunden mit dem Anziehen der Konjunktur haben bis zum Zeitpunkt der Bewerbung für den DeutschenBetriebsräte-Preis alle von den Einschnitten betroffenen Mitarbeiter, die zurückkehren wollten, wieder eine Anstellung im Unternehmen erhalten. Die Ausbildungsquote bei Risse + Wilke beträgt ab 1.9.2011 8%. Leiharbeitnehmer werden nicht eingesetzt. Im Gegensatz dazu weisen Konkurrenzunternehmen in unmittelbarer Umgebung des Unternehmens eine recht hohe Quote von Leiharbeitnehmern auf.