Preisträger Bronze - Deutscher Betriebsräte-Preis 2012

Bronze_2012

Projekt: Entgeltgleichheit bei Festo
Bewerber/in: Betriebsrat der Festo AG & Co.KG
Beschäftigtenzahl: ca. 4.000, davon ca. 29% Frauen
Branche: Maschinenbau/ Automatisierung
Gewerkschaften: IG Metall

Stichworte zum Projekt

  • Betriebsrat und Unternehmen einigen sich auf Erhebung belastbarer statischer Daten zum Thema Entgeltungleichheit
  • Analyse-Ergebnisse liefern Grundlage für Maßnahmen zur Beseitigung der Ungleichheit und stoßen weitere konkrete Projekte an

Motiv

Jedes Jahr wird gebetsmühlenartig anlässlich des Equal PaDain den Medien, in den Gewerkschaften und in den Belegschaften der sogenannte Gender Pay Gap, also die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen für dieselbe Tätigkeit, thematisiert.
Der Ausschuss »Arbeit & Familie« des Betriebsrates beim Esslinger Maschinenbauer wollte wissen: Gibt es diese Lücke auch bei Festo? Diese Frage wurde im Betrieb kontrovers diskutiert: Einerseits ist durch den Tarifvertrag ERA eine geschlechtsspezifische Bezahlung ausgeschlossen; andererseits berichteten Kolleginnen immer wieder von ungleichen Löhnen bei gleicher Arbeit.
Das Personalwesen des Unternehmens bestritt eine Ungleichbezahlung,Teile des Betriebsrates behaupteten das Gegenteil; jedoch konnte keine der beiden Positionen mit Daten unterlegt und bewiesen oder widerlegt werden. Weder Personalwesen noch der Personalausschuss des Betriebsrates hatten bis zu diesem Zeitpunkt Entgeltdaten unter dem Blickwinkel Entgeltgerechtigkeit untersucht.
In dieser Lage erfuhren die Betriebsräte im Jahr 2010 von einem Projekt des IMU-Institutes Stuttgart unter dem Titel »Umsetzung des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes im Betrieb am Beispiel der Entgeltgerechtigkeit«. Der Ausschuss »Arbeit & Familie« beschloss, sich um eine Teilnahme zu bewerben und je nach Ergebnis Maßnahmen einzuleiten.
Die Ziele: Eine belastbare statistische Auswertung der Entgeltdaten erstellen. Bei eventuellen Ungleichheiten Gründe identifizieren und Maßnahmen zur Beseitigung daraus ableiten.

Vorgehen

Anfang des Jahres 2010 informierte sich das Gremium umfassend über das Projekt des IMU-Institutes ins Stuttgart. Am Frauentag 2010 stellten die Betriebsrätinnen des Ausschusses »Arbeit & Familie« das Projekt vor und befragten die anwesenden Frauen, ob sich der Betriebsrat an dem Projekt beteiligen solle. Die meisten stimmten für eine Teilnahme.
Nach dem im März 2010 der Betriebsrat die Teilnahme an dem Projekt beschlossen hatte, folgten rasch die weiteren Schritte. Von April 2010 bis ca. April 2011 erstellte das Personalwesen unter Beteiligung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten eine Datei mit anonymisierten Personaldaten. Folgende Merkmale wurden berücksichtigt: Geschlecht, Entgeltgruppe, Alter, Betriebszugehörigkeit, Arbeitszeit (Voll- oder Teilzeit; Stundenzahl), Abteilung. Angaben zur Qualifizierung lagen nicht oder nur unvollständig vor. Von April bis Dezember 2011 erfolgte dann die Auswertung der Daten durch das IMU-Institut.
Im März 2012 fand die Vorstellung der Ergebnisse vor den Projektbeteiligten und die Aufbereitung der Analyse für die Frauentagsveranstaltung 2012 statt. Die Teilnehmerinnen wurden durch eine Mitarbeiterin des IMU-Instituts in Teile der Ergebnisse eingeführt. Anschließend diskutierten sie anhand von vier Leitfragen in Kleingruppen, wodurch Entgeltungleichheit bei Festo bedingt sein und wie sie behoben werden könnte.
Kurz darauf schloss sich die Feinanalyse der Projektergebnisse an. Diskutiert wurden mögliche Lösungen und die Betriebsräte nahmen eine Priorisierung der drängendsten Probleme und deren Behebung vor. Schließlich kam es dann zur Umwidmung des Projektes in laufende Aufgaben und Integration in bestehende Ausschüsse, z. B. den Personalausschuss.

Ergebnisse

Nachdem erstmalig das Thema Entgeltverteilung durch die »Genderbrille« erfolgt ist, liegen nun Daten und Grundlagen für weitere Schritte vor. Der Tenor der Auswertung: Es besteht ein deutlicher Unterschied beim Entgelt von Frauen und Männern, in dem sich die sehr unterschiedliche Eingruppierung von Frauen und Männern widerspiegelt.
Im Einzelnen ergibt sich folgendes Bild:

  • Eine Häufung in bestimmten Entgeltgruppen, in denen Frauen beschäftigt
  • sind, ist deutlich sichtbar.
  • Die Datenlage ist Stand heute nicht ausreichend, um eine Korrelation zwischen Entgeltgruppe/Arbeitsaufgabe, Qualifizierungen und Arbeitszeit zu
  • erstellen. Sobald die Daten zur Qualifizierung vorliegen, soll eine neue Auswertung gestartet werden.
  • Der Entgeltunterschied steht im Widerspruch zu dem Befund, dass Frauen bei Festo sehr viel häufiger als z. B. in der badenwürttembergischen Wirtschaft in Vollzeit tätig (74 % zu 49 %) sind. Teilzeit ist ein belegbarer Grund für eine geringere Bezahlung. Frauen stellen jedoch auch bei Festo den überwiegenden Anteil der Teilzeitbeschäftigten.
  • Auffällig sind auch die deutlichen Unterschiede der Frauen- und Männeranteile bei den AT-Beschäftigten.
  • Zwischen den verschiedenen Unternehmensbereichen bestehen – nach der ersten Analyse – keine großen Unterschiede, unabhängig davon, ob in denBereichen ein eher hoher oder ein eher niedriger Frauenanteil beschäftigt ist.

Aus Sicht des Betriebsratsgremiums ergeben sich daraus folgende Schlussfolgerungen:

  • Auch in Abteilungen mit einem überdurchschnittlichen oder überwiegenden Frauenanteil sind die besser bezahlten und Führungskräfte-Jobs in Männerhand.
  • Es gibt keinen direkt erfassbaren Zusammenhang zwischen Teilzeit und geringerer Entlohnung.
  • Der Tarifvertrag fordert Entgeltgleichheit, die festgestellten Ungleichheiten müssen demnach eher versteckte Ursachen haben.
  • Die Datenerhebung muss unter Einbeziehung der Qualifikationen wiederholt werden.

In der Arbeitsgruppe und in Diskussion mit den Festo-Frauen wurden Vorschläge und Maßnahmen erarbeitet. Aus diesen Vorschlägen wurden weiterführende Projekte abgeleitet, die in den BR-Ausschüssen weiter verfolgt werden.
Außerdem soll die Datenauswertung auf andere Konzernteile ausgedehnt werden, so dass ein übergeordneter Blick auf Entgeltverteilungen möglich ist.
Der Ausschuss »Arbeit & Familie« hat weiterhin beschlossen, die Datenauswertung mit Sicht »Engeltgleichheit« in regelmäßigen Abständen zu wiederholen, um Verbesserungen erkennen oder auch Stillstand verfolgen zu können.

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