Rechtsprechung

10 TOP-Urteile für Betriebsräte aus 2019

03. Dezember 2019 Rechtsprechung, Top-Urteile
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Quelle: © Gina Sanders / Foto Dollar Club

Welchen Datenschutz muss der Betriebsrat zusichern? Was ist mit Freizeitausgleich bei Betriebsratssitzung? Und kann der Betriebsrat nun die digitale Zeiterfassung für alle fordern? Zu diesen und noch viel mehr Fragen haben der Europäische Gerichtshof (EuGH) und das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Jahr 2019 entschieden. Diese Urteile sollten Sie sich als Betriebsrat merken.

1. EuGH zur Arbeitszeiterfassung stärkt auch die Betriebsräte

Ab sofort müssen sämtliche Arbeitszeiten erfasst werden. In Deutschland ist das neu, denn bislang war nur das Erfassen von Überstunden obligatorisch. Das EuGH-Urteil birgt Sprengstoff. Heftig wird diskutiert, ob der Betriebsrat in der Folge nun ein digitales Zeiterfassungssystem aktiv einfordern kann. Denn nur so wird dem Arbeitsschutzgedanken bei der Zeiterfassung Rechnung getragen. Vieles ist noch unklar (EuGH 14.5.2019 – C-55/18).

2. Einsichtsrecht des Betriebsrats in Gehaltslisten gestärkt

Dass der Betriebsrat Gehaltslisten einsehen kann, steht sogar im Gesetz. Doch das BAG geht weiter. Der Arbeitgeber muss die Gehaltslisten mit zugehörigen Klarnamen der Arbeitnehmer herausrücken. Anonym läuft nichts mehr. Und der Betriebsrat braucht keinen besonderen Anlass zu nennen, denn das Überprüfen des Lohngefüges im Betrieb gehört zu seinen Kernaufgaben – im Rahmen der Überwachungsfunktion nach § 80 BetrVG. Kleiner Wermutstropfen: Der Arbeitgeber muss nur die Listen herausrücken, die er bereits vorliegen hat. Neue muss er nicht extra erstellen (BAG 07.5.2019 – 1 ABR 53/17).

3. Eingeschränktes Auskunftsrecht bei sensiblen Arbeitnehmerdaten

Bei sensiblen Arbeitnehmerdaten kann der Auskunftsanspruch (§ 80 BetrVG) des Betriebsrats begrenzt sein. Etwa wenn es um Gesundheitsdaten oder Schwangerschaften der Arbeitnehmerinnen geht. Der Betriebsrat soll dann darlegen müssen, dass und wie er diese sensiblen Gesundheitsdaten vor unbefugtem Zugriff in seinem Büro sichert. Sonst soll der Arbeitgeber die Auskunft verweigern dürfen. Schutzmaßnahmen können beispielsweise sein: Passwortschutz beim Betriebsrats-PC, Zugangskontrollen, strenge Löschkonzepte, Daten im Betriebsratsbüro (BAG.9.4.2019 – 1 ABR 51/17).

4. Freizeitausgleich für Betriebsratssitzung

Muss ein Betriebsratsmitglied für eine Betriebsratssitzung seine Freizeit opfern, hat er Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich (§ 37 Abs. 2 BetrVG). Ein solches Freizeitopfer kommt oft bei Betriebsratsmitgliedern mit Schichtdiensten vor, da die Betriebsratstätigkeit fast immer tagsüber stattfindet und damit häufig außerhalb der regulären Arbeitszeit. Hier ist der Freizeitausgleich besonders wichtig und besonders ernst zu nehmen. Es reicht nicht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorab einfach von der Nachtschicht freistellt (BAG 15.5.2019 – 7 AZR 396/17).

5. Betriebsrat kann Unterlassungsanspruch verlieren

Auch völlig berechtigte Unterlassungsansprüche des Betriebsrats können ganz ausnahmsweise ihre Grenzen haben. Der Arbeitgeber kann den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erheben, wenn der Betriebsrat sich jeglichen Verhandlungen verweigert. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Betriebsrat sich jeglicher Mitbestimmung beim Verhandeln von Dienstplänen im Krankenhaus und auch einer Einigungsstelle entzieht. Der Fall ist allerdings als Einzelfall zu sehen (BAG 19.3.2019 – 1 ABR 42/17).

6. Führungsaufgabe als zustimmungspflichtige Einstellung (Matrix-Unternehmen)

Dass der Chef nicht mehr vor Ort sitzt, ist heutzutage keine Seltenheit mehr. Digitale  Kommunikation erfordert eben keine persönliche Anwesenheit. Das ist vor allem in sogenannten Matrix-Unternehmen der Fall. Damit der Betriebsrat hier nicht leer ausgeht, bestimmt er mit, sobald einem Chef eine Führungsaufgabe am Standort des Betriebsrats zugewiesen wird. Auch wenn der Dienstsitz des Chefs woanders ist. Diese Linie stärkt die Betriebsratsarbeit (BAG 12.6.2019 – 1 ABR 5/18).

7. Pflichtteilnahme des Betriebsrats an Personalgesprächen unzulässig

Eine Regelung, nach der bei jedem Personalgespräch mit disziplinarischem Charakter automatisch immer der Betriebsrat dabei sein muss, ist unzulässig. Der Arbeitnehmer soll selbst entscheiden können, wen er wann dabei haben will (BAG 11.12.2018 – 1 ABR 12/17).

8. Verdachtskündigung wegen Zufallsfunden zulässig

Der Arbeitgeber darf die dienstlichen Rechner seiner Angestellten durchsuchen, wenn er kontrollieren will, ob sie ihre Pflichten erfüllen. Datenschutzrechtlich ist das erlaubt, solange keine privaten Dateien dabei sind. Stößt der Arbeitgeber zufällig auf sachliche Anhaltspunkte für eine schwere Pflichtverletzung, kann er darauf eine Verdachtskündigung stützen (BAG 31.1.2019 – 2 AZR 426/18).

9. Betriebsrat muss über Unfälle von Fremdpersonal informiert werden

Der Betriebsrat ist auch über Unfälle von Fremdpersonal in seinem Betrieb zu unterrichten. Nur so kann er effektiven Arbeitsschutz leisten, ergeben sich doch aus diesen Arbeitsunfällen Erkenntnisse über mögliche Gefahren der betrieblichen Infrastruktur (BAG 12.3.2019 – 1 ABR 48/17).

10. Betriebsbedingte Kündigungen von Betriebsratsmitgliedern werden einfacher

Der Arbeitgeber kann Betriebsratsmitglieder nur im Ausnahmefall kündigen. Die genießen nach § 15 KSchG einen Sonderkündigungsschutz. Doch bei Betriebsschließungen sind betriebsbedingte Kündigungen zulässig. Das soll auch der Fall sein, wenn nur der eine Standort schließt und es weitere gibt. Dass der Betriebsbegriff im KSchG ein anderer ist als im BetrVG wird die Rechtsanwendung nicht vereinfachen (BAG 27.6.2019 – 2 AZR 38/19).

© bund-verlag.de (fro)

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