Umkleidezeiten

Anlegen von Schutzanzug gehört zur Arbeitszeit

17. November 2015

Die Verpflichtung des Arbeitgebers, Umkleidezeiten als Arbeitszeit zu vergüten, kann ein Tarifvertrag nicht ausschließen, wenn die Arbeitskleidung aus Gründen des Arbeitsschutzes geboten ist. Das geht aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamburg hervor.

In einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, das in seinem Werk in Hamburg etwa 640 Mitarbeiter beschäftigt, gelten kraft beiderseitiger Verbandsmitgliedschaft die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie. Im Manteltarifvertrag für das Tarifgebiet Hamburg und Umgebung, Schleswig-Holstein, Mecklenburg Vorpommern (MTV, Stand Oktober 2008) ist unter anderem folgendes geregelt:

»Zeiten für Umkleiden und Waschen sowie Pausen sind keine Arbeitszeit, soweit nicht innerbetriebliche abweichende Regelungen getroffen werden.« (§ 3 Ziff. 6 MTV).

Arbeitgeber zahlt nicht für Umkleidezeiten

In einer »Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit vom 07.09.2006« (BV Arbeitszeit) ist eine tägliche Soll-Arbeitszeit von sieben Stunden festgelegt. Die Erfassung der täglichen Arbeitszeit erfolgt mittels eines elektronischen Zeiterfassungssystems. Der Kläger – ein Mitarbeiter in der Abteilung Instandhaltung – ist verpflichtet, so genannte persönliche Schutzausrüstung (PSA) zu tragen, bestehend aus Hosen, Arbeitsjacken, Socken, Schuhen, Arbeitshandschuhen, Schutzbrille, Helm sowie Gehörschutz.

Mit seiner Klage verlangte der Mitarbeiter, die von ihm je Schicht benötigten 30 Minuten zum An- und Ablegen der Schutzkleidung als Arbeitszeit gutgeschrieben und vergütet zu bekommen.

Umkleide- und Wegzeiten als »Kosten für Maßnahmen des Arbeitsschutzes«

Das LAG gab dem Mann Recht. § 3 Ziff. 6 MTV verstoße gegen § 3 III Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und ist damit rechtsunwirksam, soweit Umkleide- und damit verbundene Wegezeiten aus der Vergütungspflicht ausgeklammert werden, die durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes veranlasst sind, heißt es im Urteil. »Gemäß § 3 III ArbSchG darf der Arbeitgeber Kosten für Maßnahmen nach dem Arbeitsschutzgesetz nicht den Beschäftigten auferlegen. Diese Regelung ist nicht abdingbar.«

Das LAG beurteilt die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, was »Maßnahmen des Arbeitsschutzes« sind, zugunsten der Beschäftigten. Maßnahmen i.S.v. § 3 III ArbSchG seine nicht nur die der Arbeitssicherheit dienenden Sachmittel, sondern auch Arbeitszeiten, die erforderlich sind, um diese Sachmittel anzuwenden. Der Arbeitnehmer muss seine PSA anlegen, um die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten.

Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass Kosten für Arbeitsschutzmaßnahmen, insbesondere für die Zurverfügungstellung von persönlichen Schutzausrüstungen, in der Regel beim Arbeitgeber verbleiben. Daraus folgert das LAG, dass auch Folgekosten, die mit der Nutzung der Schutzausrüstung verbunden sind, der Arbeitgeber tragen müsse.

Daher hat das LAG entschieden, dass die Tarifnorm des § 3 Ziff. 6 MTV gegen höherrangiges Recht verstößt und nicht anwendbar ist. Der Kläger habe Anspruch auf die von ihm begehrte Feststellung aus dem vom Bundesarbeitsgericht anerkannten Grundsatz, wonach Zeiten für fremdnütziges Umziehen vom Arbeitgeber vergütet werden müssen.

Lesetipp der Online-Redaktion:

»Arbeitszeit – Zählt Umkleiden im Büro als Privatvergnügen?«

Quelle:

LAG Hamburg, Urteil vom 6.7.2015
Aktenzeichen: 8 Sa 53/14 (Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt unter Aktenzeichen: 5 AZR 574/15, mit einer Entscheidung ist voraussichtlich ab Mitte 2016 zu rechnen)
Justiz-Portal Hamburg

© bund-verlag.de (mst)

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