Arbeitsentgelt

30 Prozent Nachtzuschlag für Zeitungszusteller

05. Juni 2018
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Quelle: magele_Dollarphotoclub

Der übergangsweise verringerte Mindestlohn für Zeitungszusteller ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Bei Nachtarbeit besteht ein Anspruch auf einen Zuschlag von 30 Prozent zum Stundenlohn. Von Matthias Beckmann.

Die Klägerin arbeitete als Zeitungszustellerin. Sie war ausschließlich zur Nachtzeit tätig und hatte die Zeitungen bis spätestens 6 Uhr morgens zuzustellen. Seit seiner Einführung zum 1.1.2015 erhielt sie für ihre Tätigkeit den gesetzlichen Mindestlohn. Dabei galten allerdings Sonderregelungen für Zeitungszusteller.

Das Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) hat zu einer Reihe von nach und nach geklärten Rechtsfragen geführt. Eine davon war die Frage, ob der verringerte Mindestlohn für Zeitungszusteller rechtmäßig ist.

Weniger Mindestlohn für Zeitungszusteller

Seit dem 1.1.2015 gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn. Dieser betrug zunächst 8,50 Euro je Arbeitsstunde, seit dem 1.1.2017 beträgt er 8,84 Euro je Arbeitsstunde.

Nicht so jedoch für Zeitungszusteller. Für diese Berufsgruppe galt übergangsweise ein geringerer Mindestlohn und zwar bis Ende 2015 von 6,38 Euro, bis Ende 2016 von 7,23 Euro und bis Ende 2017 von 8,50 Euro. Rechtsgrundlage hierfür ist § 24 Abs. 2 MiLoG.

Diese Ungleichbehandlung wurde vielfach als ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz kritisiert. Auch die hiesige Klägerin war der Auffassung, die Sonderregelung für Zeitungszusteller sei unwirksam.

Zugunsten der Pressefreiheit

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun entschieden, dass diese Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Vorschrift ist verfassungsgemäß und verstößt insbesondere nicht gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).

Der Gesetzgeber hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine besondere Gestaltungsfreiheit. Diese hat er mit der zeitlich begrenzten Übergangsvorschriften mit der auf drei Jahre begrenzten Sonderregelung des Mindestlohnes für Zeitungszusteller nicht überschritten, so das BAG.

Die Regelung dient dem Schutz der gleichfalls vom Grundgesetz geschützten Pressefreiheit. Eine sofortige Einführung des vollen Mindestlohns hätte zu Mehrkosten geführt, die insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen die Zustellung hätten beeinträchtigen können.

30 Prozent Nachtzuschlag angemessen

Neben einem möglichen Verstoß gegen den Gleichheitssatz ging es in dem Rechtsstreit auch um die Höhe des Nachtzuschlags. Hier war die Klage erfolgreich. Der Arbeitgeber hatte 10 Prozent Zuschlag als ausreichend angesehen, nach Auffassung des Gerichts müssen es bei dauerhaft nachts verrichteter Tätigkeit aber 30 Prozent Zuschlag sein.

Nachtarbeit ist in besonderer Weise eine gesundheitliche Belastung für den Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber muss daher nach § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) einen Ausgleich schaffen. Der kann in einer angemessenen Zahl freier Tage oder eben in einem Zuschlag zum Stundenlohn bestehen.      

Praxishinweise

Zuschlag mit besonderer Zweckbestimmung

Bei dauerhafter Nachtarbeit – Arbeiten zwischen 23 und 6 Uhr – muss der Zuschlag mindestens 30 Prozent betragen.

Bereits in einem früheren Urteil hatte das BAG entschieden, dass der Nachtzuschlag nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden darf (BAG 25.5.2016 - 5 AZR 135/16). Während bei den meisten Vergütungsbestandteilen eine Anrechnung zulässig ist, darf der Nachtzuschlag nicht angerechnet werden, weil er eine besondere gesetzliche Zweckbestimmung hat.

Auch ist sicherlich richtig, dass die Pressefreiheit ein hohes Gut ist, das in besonderer Weise schützenswert ist. Warum dieser Schutz aber letztlich über eine Benachteiligung der Zusteller erfolgt, ist weniger verständlich. Da die Pressefreiheit ein Gut der Allgemeinheit ist, wäre es angemessener, über einen von der Allgemeinheit finanzierten Ausgleich des herabgesetzten Mindestlohns nachzudenken.

Der Betriebsrat hat nach § 80 Abs.1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) unter anderem darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber sich an die gesetzlichen Bestimmungen hält. Daher muss er sowohl die Zahlung des Mindestlohns als auch die eines angemessenen Nachtzuschlags kontrollieren. Hierzu kann er nach § 80 Abs. 2 BetrVG Einsicht in die Bruttolohnlisten nehmen.

Stellt der Betriebsrat Verstöße fest, kann er den Arbeitgeber darauf hinweisen. Die Forderung vor dem Arbeitsgericht geltend machen muss hingegen der Arbeitnehmer selbst.

Von Matthias Beckmann, DGB Rechtschutz GmbH

Quelle

BAG (25.04.2018)
Aktenzeichen 5 AZR 25/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 6.6.2018.
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