Gesundheitsprognose

Gekündigt wegen hoher Fehlzeiten

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Quelle: nmann77_Dollarphotoclub

Erkältungen oder Migräne können täglich vorkommen. Führen sie aber über Jahre zu erheblichen Fehlzeiten, kann der Arbeitgeber krankheitsbedingt kündigen. Vor allem, wenn auch das betriebliche Eingliederungsmanagement keinen Zusammenhang mit der Arbeit belegt. Von Bastian Brackelmann.

Die Klägerin war als Betreuungsassistentin in einem Pflegeheim tätig. Sie war im Jahr 2014 vier Mal an insgesamt 20 Tagen, im Jahr 2015 elf Mal an insgesamt 88 Tagen und im Jahr 2016 zehn Mal an insgesamt 51 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Im April und im Dezember 2015 wurde ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt. Die Klägerin gab dabei jeweils an, dass ihre Tätigkeit in keinem Zusammenhang zu ihren Erkrankungen stünde.

Alltägliche Krankheiten bewirken hohe Entgeltfortzahlungskosten

Den einzelnen Arbeitsunfähigkeiten der Klägerin lagen jeweils unterschiedliche Ursachen zu Grunde. Stets waren eher alltägliche Krankheiten, wie Kopfschmerzen, Erkältungen und andere Infekte der Auslöser. Alle Krankheiten waren nach kurzer Zeit ausgeheilt. Die Klägerin erhielt dadurch in gut zwei Jahren 8.600,- EUR Entgeltfortzahlung. Die Arbeitgeberin sprach im August 2016 eine ordentliche Kündigung aus.

Viele kurze Erkrankungen können auf eine allgemeine Anfälligkeit hindeuten

Wie schon das Arbeitsgericht hielt auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern die Kündigung für wirksam. Seien in der Vergangenheit häufige Kurzerkrankungen aufgetreten, müsste dies auch weiterhin für die Zukunft zu befürchten sein (negative Prognose), um eine Kündigung zu rechtfertigen. Zudem müssten die Fehlzeiten die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigt haben.

Beides sei der Fall, so das LAG. Der Arbeitgeber könne davon ausgehen, dass die Klägerin auch in Zukunft oft für wenige Tage krank sei. Dass die Krankheiten jeweils ausgeheilt seien, spreche nicht dagegen. Vielmehr sei deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin allgemein anfällig ist, kurzzeitig zu erkranken. Gegenteiliges habe die Klägerin nicht dargelegt, etwa durch ärztliche Stellungnahmen. Die Interessen des Betriebs würden durch die Kosten der Entgeltfortzahlung ebenso beeinträchtigt wie der Ablauf der täglichen Pflege, weil die Klägerin fehlt.

Praxistipp

Die krank­heits­be­ding­te Kündi­gung ist eine personenbedingte Kündigung. Denn der Gesundheitszustand eines Arbeitnehmers haftet seiner Person als Eigenschaft an.

Eine krankheitsbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn ein Arbeitnehmer wegen seines Gesundheitszustandes seine aus dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann. Neben den beiden Voraussetzungen: negative Prognose und Beeinträchtigung betrieblicher Interessen muss zusätzlich noch eine Interessenabwägung vorgenommen werden.

Das Interesse des kranken Arbeitnehmers daran, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht, überwiegt in folgenden Fällen:

  • Das Arbeitsverhältnis dauert bereits sehr lange und der Arbeitnehmer war immer kerngesund.
  • Vergleichbare (also ähnlich alte und ähnlich tätige) Arbeitnehmer haben ebenso hohe Fehlzeiten.
  • Die Krankheit ist auf einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen, resultiert also gerade aus dem Arbeitsverhältnis.

Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern können Arbeitsunfähigkeitszeiten auf die Behinderung zurückzuführen sein. Eine Kündigung oder die Zustimmung des Integrationsamtes würde dann den schwerbehinderten Arbeitnehmer benachteiligen.Liegen die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung vor, ist der Arbeitgeber wegen der Krankheitsdauer von mehr als sechs Wochen nach § 167 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) verpflichtet, ein BEM durchzuführen.

Der Betriebsrat ist dabei zu beteiligen. Hier liegt es am Arbeitnehmer, aktiv zu werden und dem Arbeitgeber mitzuteilen, was verbessert werden könnte, um Fehlzeiten zu reduzieren. Einer Einladung zum BEM nicht zu folgen, ist selten eine gute Lösung. Wurde kein BEM durchgeführt, ist die Kündigung nicht per se unwirksam, aber häufig unverhältnismäßig. Denn der Arbeitgeber hat dann nicht versucht, mildere Mittel anzuwenden.

Bastian Brackelmann, DGB Rechtsschutz GmbH

Linktipp:

Betriebliches Eingliederungsmanagement: Fünf Tipps für ein gutes BEM

                                                                                                                                                                                

 

Quelle

LAG Mecklenburg-Vorpommern (28.11.2017)
Aktenzeichen 5 Sa 54/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat 2/2018 vom 31.1.2018.
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