Sozialrecht

Unfallversichert beim Spaziergang

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Quelle: © RioPatuca Images / Foto Dollar Club

Versicherte, die auf Kosten der Rentenversicherung eine Reha machen, sind unfallversichert. Etwa, wenn der behandelnde Arzt Bewegung an der frischen Luft empfiehlt. Ein Verkehrsunfall beim Spazierengehen zählt daher als Arbeitsunfall.

Der Kläger befand sich in einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation (Reha) in einer Klinik. Die Deutsche Rentenversicherung finanzierte diesen mehrwöchigen Aufenthalt. Weil an einem Sonntag keinerlei Behandlung stattfand, wollte der Kläger durch einen Spaziergang dazu beitragen, an Gewicht zu verlieren. Auf einem Zebrastreifen erfasste ein Auto den Kläger, der erheblich verletzt wurde.

Spaziergang als Privatvergnügen?

Die zuständige Unfallkasse - manchmal ist es auch eine Berufsgenossenschaft - lehnte es ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zwar hatte die Klinik bescheinigt, dass der Spaziergang durchaus gesundheitsförderlich gewesen sei. Die Unfallkasse meinte aber, dass der Spaziergang eine eigenwirtschaftliche Verrichtung gewesen sei, die nicht durch die Unfallversicherung geschützt werde.

Bewegung dient dem therapeutischen Erfolg

Das Sozialgericht Düsseldorf sah die Sache anders und gab dem Kläger Recht. Bereits in den 70er Jahren habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass ein einfacher Spaziergang während einer Reha ein Arbeitsunfall sein könne. Ausschlag gebend sei, ob die Bewegung an der frischen Luft dem Zweck der Reha-Maßnahme dienlich und der Betroffene in diesem Bewusstsein unterwegs ist. Das habe die Klinik hier bestätigt.

Arbeitsunfall – was dahinter steckt

Wer arbeitet, ist nicht nur für sich selbst (eigenwirtschaftlich), sondern auch im Interesse eines anderen – des Arbeitgebers – tätig. Passiert während der Arbeit ein Unfall, muss daher entweder der Arbeitgeber zahlen oder aber den Arbeitnehmer gegen Schäden versichern. Mit der gesetzlichen Unfallversicherung wurde bereits im 19. Jahrhundert ein Mittelweg zur Pflicht gemacht: Arbeitnehmer sind pflichtversichert, die Beiträge zahlt aber allein der Arbeitgeber.

Diese echte Unfallversicherung wurde im Laufe der Jahrzehnte erweitert: Auch Schüler, Ehrenamtliche und Nothelfer sind unfallversichert, da sie auch im Interesse der Allgemeinheit tätig werden. Nichts anderes gilt für Patienten einer Reha. Denn die Gesundheit soll auch erhalten bleiben, um nicht der Versichertengemeinschaft zur Last zu Fallen. Dies rechtfertigt den Versicherungsschutz während einer Reha.

Entscheidend ist, dass das unfallbringende Verhalten - hier: Spazierengehen - in einem Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit (hier: Reha-Aufenthalt) steht. Im Fall des Spaziergängers haben SG und BSG dies bejaht, weil die Bewegung der Gesundheit diene und damit die Erwerbsfähigkeit erhalte und wiederherstelle.

Praxistipp

Unfallversicherung ist eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit. Das gleiche gilt für Vorschriften des Arbeitsschutzes. Der Betriebsrat hat daher nicht die Möglichkeit, über Mitbestimmung oder Initiativen, die Situation der Arbeitnehmer zu verbessern.

Ein häufiger Anlass für Streitigkeiten bei Arbeitsunfällen ist aber der genaue Unfallhergang. Der Betriebsrat kann aber dafür sorgen, dass bestimmte Dinge im Fall eines Unfalls im Betrieb erfolgen.

Hier eine Checkliste der sechs wichtigsten Vorgänge:

  1. Festhalten, was aus Sicht des Betriebsrats geschehen ist!
  2. Wer war beteiligt (als Betroffener oder Zeuge)?
  3. Bei einem Arbeitsunfall muss der Betroffene einem Durchgangsarzt (D-Arzt), also einem speziell geschulten Unfallchirurgen, vorgestellt werden (in einer Klinik oder Praxis).
  4. Der D-Arzt muss den Unfallhergang aufnehmen und schriftlich festhalten – die Begleitung durch ein Betriebsrtasmitglied hat dabei noch nie geschadet.
  5. In jedem Fall sollte einer Anzeige des Unfalls gegenüber der Berufsgenossenschaft erfolgen – Arbeitgeber haben daran häufig kein Interesse.
  6. In allen Betrieben muss ein Verbandbuch geführt werden, in dem alle Einzelheiten eines Unfalls dokumentiert werden – da dies oft vernachlässigt wird, ist auch hier der Betriebsrat gefragt.

Bastian Brackelmann, DGB Rechtsschutz GmbH

Lesetipp:

Mehr dazu in der Rubrik Betriebsrat > Arbeitsschutz > Basiswissen > 10 Fragen und Antworten

Was muss der Betriebsrat zum Arbeitsunfall wissen?

Quelle

SG Düsseldorf (20.06.2017)
Aktenzeichen S 6 U 545/14
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters »AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat« vom 22.11.2017.

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