Arbeitszeit

Arbeitszeitrecht gilt nicht für Pflegeeltern

28. November 2018 Arbeitszeit
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Quelle: © Kzenon / Foto Dollar Club

In Rumänien schließen Pflegeeltern einen Arbeitsvertrag mit einer staatlichen Stelle, wenn sie Kinder in Pflege nehmen. Mehrere Paare wollten Vergütung für Wochenendarbeit und Urlaub durchsetzen. Nein, sagt dazu der Europäische Gerichtshof (EuGH). Das Urteil bestätigt, was auch in Deutschland für Pflegeeltern gilt.

Nach rumänischem Recht schließen Pflegeeltern einen individuellen Arbeitsvertrag mit einer Behörde, der »Generaldirektion für soziale Unterstützung und den Schutz des Kindes«.

In Rumänien hatten mehrere Pflegeeltern und ihre Gewerkschaft auf Gehaltszulagen geklagt, für die als Pflegeeltern an Wochenenden, Feiertagen und während des gesetzlichen Urlaubs geleistete Arbeit. Die Sache gelangte zum Berufungsgericht Constanța. Dieses legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob den Pflegeeltern das Recht auf Ruhezeiten, Feiertage und den Erholungsurlaub, auf das sie ihre Klagen stützen, nach dem europäischen Recht zusteht.

Pflegeeltern sind in Rumänien Arbeitnehmer

Der EuGH stellte fest, dass, so wie das Pflegeelternwesen in Rumänien gestaltet ist ‑ es bestehen beispielweise ein Unterordnungsverhältnis gegenüber der Behörde und die Möglichkeit zur Vertragsbeendigung gemäß dem Arbeitsrecht, und die Pflegeeltern erhalten eine Vergütung ‑, Pflegeeltern als Arbeitnehmer einzustufen sind.

Ausnahme vom Arbeitszeitrecht

Sodann führt der EuGH aus, dass in Rumänien angestellte Pflegeeltern bei funktioneller Auslegung des Begriffs zum öffentlichen Dienst gehören. Für den öffentlichen Dienst aber sind Ausnahmen vom Arbeitszeitrecht möglich, soweit diese zwingend erforderlich sind - und das ist bei Pflegeeltern der Fall.

Der EuGH begründet dies mit dem Kindeswohl: »Würde Pflegeeltern in regelmäßigen Abständen das Recht gewährt, sich von dem bei ihnen untergebrachten Kind nach einer bestimmten Zahl von Arbeitsstunden oder in Zeiträumen, die, wie die wöchentlichen oder jährlichen Ruhetage, allgemein mit Momenten in Verbindung gebracht werden, die der Entwicklung des Familienlebens förderlich sind, zu trennen, so würde dies dem Ziel der rumänischen Behörden, das Kind durchgängig und auf lange Zeit angelegt in deren Haushalt und deren Familie einzugliedern, unmittelbar zuwiderlaufen.«

Zwar verlangt das europäische Recht auch in den Ausnahmefällen, wo das Arbeitszeitrecht nicht gilt, größtmögliche Sicherheit und größtmöglichen Schutz der Arbeitnehmer. Dem trage das rumänische Recht aber Rechnung: Pflegeeltern können ja in Urlaub fahren, nur müssen sie dann grundsätzlich die Kinder mitnehmen. Außerdem ist die Möglichkeit, sich während bestimmter Zeiträume von den Kindern zu trennen, durchaus vorgesehen, aber von einer Genehmigung der Behörde abhängig.

Wie ist es in Deutschland?

Eine Vorlage aus Deutschland würde im Ergebnis keine andere Entscheidung bringen. Wahrscheinlich würde schon die Arbeitnehmereigenschaft verneint werden. Das deutsche Pflegeelternrecht vermeidet Begriffe wie »Vergütung« und »Arbeitsvertrag«, auch wenn diese ein Pflegegeld und Beiträge zur Alterssicherung erhalten (§ 39 Abs. 4 SGB VIII).

Dementsprechend hat auch das Arbeitsgericht Bonn die Klage einer Pflegemutter auf Urlaubsabgeltung abgewiesen: Die Pflicht zur Betreuung, Erziehung und Pflege ergebe sich nicht aus einem Arbeitsvertrag, sondern daraus, dass die Pflegeeltern mit der Aufnahme der Pflegekinder zum Teil die Personensorge für diese übernommen haben (ArbG Bonn, 17.6.2016 - 5 Ca 2733/15). Für diese Aufgaben hatte die Klägerin ein aus öffentlichen Mitteln finanziertes Erziehungsgeld erhalten.

Es ist zwar nicht gewiss, ob auch der EuGH entscheiden würde, dass Pflegeelternschaft in Deutschland kein Arbeitsverhältnis ist. Aber auch wenn der EuGH ein Arbeitsverhältnis bejaht, würde die im Urteil entwickelte Ausnahme vom Arbeitszeitrecht gelten und folglich der Anspruch der Pflegeeltern auf »Gehaltszuschläge« daran scheitern.

Torsten Walter, LL.M. (Leicester), DGB Bundesvorstand

Quelle

EuGH (18.11.2018)
Aktenzeichen C-147/17
Rechtssache C-147/17 (Sindicatul Familia Constanţa, Ustinia Cvas u. a. gegen Direcţia Generală de Asistenţă Socială şi Protecţia Copilului Constanţa)
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