Mitbestimmung

Keine Mitbestimmung beim Verteilen von Flugblättern

04. Dezember 2018 Betriebsrat, Mitbestimmung
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Quelle: © Gina Sanders / Foto Dollar Club

Verbietet der Arbeitgeber seinen im Betrieb beschäftigten Gewerkschaftsmitgliedern, einen gewerkschaftlichen Info-Stand aufzubauen und Flyer zu verteilen, hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Das hat das LAG Köln klargestellt.

Eine Krankenhausgesellschaft untersagte vier bei ihr beschäftigten ver.di-Mitgliedern den Aufruf zu einer Demonstration sowie eine Unterschriften-Aktion für den NRW-Appell für mehr Krankenhauspersonal. Dagegen machte der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch geltend.

Keine kollektive Interessen betroffen

Das LAG stellt klar: Ein Betriebsrat könne sich zwar gegen zu erwartende weitere Verstöße des Arbeitgebers gegen ein Mitbestimmungsrecht aus § 87  Abs. 1 BetrVG mittels Unterlassungsklage wehren – die Anweisung des Betriebs, den vor der Krankenhauskapelle aufgebauten Informationsstand abzubauen und das Verteilen von Flugblättern sowie das Sammeln von Unterschriften zu unterlassen, unterlag jedoch nicht dem Mitbestimmungsrecht des § 87  Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87  Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht nur bei kollektiven Tatbeständen, wenn sich also eine Regelungsfrage stellt, welche die kollektiven Interessen der Belegschaft berührt. Hier war die gewerkschaftliche Betätigung von vier Arbeitnehmern betroffen, die allenfalls Ausstrahlungen auf die übrige Belegschaft hatten, weswegen bereits der kollektive Bezug fraglich ist. Indem die Pflegedienstleiterin die Nutzung des Betriebsgeländes per Hausrecht der Arbeitgeberin untersagt hatte, hat sie eine auf einen bestimmten Anlass bezogene Maßnahme ausgeübt, die weder eine generelle Regelung zur Ausübung von Gewerkschaftsrechten im Betrieb traf, noch präjudizielle Bedeutung für andere gewerkschaftliche Aktionen hatte, so das LAG.

Keine Frage der betrieblichen Ordnung berührt

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer, das der Arbeitgeber durch Verhaltensregeln koordinieren kann. Hier hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht, da die Untersagung des Arbeitgebers keine Ordnungsfrage darstellt und damit nicht Gegenstand der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sein kann. Wichtig: Gewerkschaft und Betriebsrat sind institutionell getrennt. § 2 Abs. 1 BetrVG sieht nur ein Zusammenwirken des Betriebsrats mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften vor. Gewerkschaften haben dabei eine herausgehobene Stellung. Es wäre mit dem System der Betriebsverfassung nicht zu vereinbaren, die Frage, ob und inwieweit sich Gewerkschaften im Betrieb engagieren, von der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG abhängig zu machen.

Aber selbst wenn man eine gewerkschaftliche Betätigung und deren Ausgestaltung als Frage der betrieblichen Ordnung ansähe, wäre diese gemäß § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats entzogen, weil ihm insoweit von Gesetzes wegen keine Regelungsbefugnis zusteht. Denn durch die Anweisung, einen Informationsstand abzubauen und das Verteilen von Flugblättern sowie das Sammeln von Unterschriften zu unterlassen, sind ebenfalls keine Fragen der betrieblichen Ordnung berührt. Das wäre frühestens dann möglich, wenn die Arbeitgeberin einen gewerkschaftlichen Informationsstand zugelassen hätte und Ort sowie Art und Weise der gewerkschaftlichen Betätigung regeln wollte.

Das LAG misst den im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung bei und hat deswegen die Rechtsbeschwerde zugelassen.

bund-verlag.de (mst)

Quelle

Landesarbeitsgericht Köln (24.08.2018)
Aktenzeichen 9 TaBV 7/18
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