Beschäftigtendatenschutz

BAG erleichtert Kündigung durch Videobeweis

09. Oktober 2018
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Quelle: © Kadmy / Foto Dollar Club

Überwacht der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz offen und rechtmäßig, muss er Kameramitschnitte nicht sofort auswerten. Er kann auch noch Monate später auf sie zugreifen – und mit dem Gefilmten eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Von Matthias Beckmann.Von Matthias Beckmann.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer stritten um eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung. Die Arbeitnehmerin arbeitete als Verkäuferin in einem Tabak- und Zeitschriftenhandel. Dort hatte der Arbeitgeber eine offene, also für alle erkennbare, Videoüberwachung installiert. Damit wollte er sich vor Straftaten sowohl von Kunden als auch von eigenen Arbeitnehmern schützen.

Offene Videoüberwachung, dauerhafte Speicherung

Bei einer im August vorgenommenen Auswertung der Videoaufzeichnungen zeigte sich, dass die Arbeitnehmerin an zwei Tagen im Februar eingenommene Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt hatte. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage.

In den Vorinstanzen war die Klage erfolgreich. Das Landesarbeitsgericht (LAG) war der Meinung, dass die Videoaufnahmen nicht solange hätten gespeichert werden dürfen. Auf die Videoaufzeichnungen könne der Arbeitgeber sich nicht berufen, weil sie kein zulässiges Beweismittel seien. Aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes bestehe ein Beweisverwertungsverbot.

Der Arbeitgeber wäre nach § 6b Abs. 5 BDSG a.F. (unverändert neu: § 4 Abs. 5 BDSG) zu einer Löschung verpflichtet gewesen. Das monatelange Vorhalten der Aufzeichnungen sei unzulässig. Die Intensität des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer sei deshalb besonders hoch, weil die Videokamera den Kassenbereich ohne zeitliche Beschränkung während der Schicht überwache. Daher müssten auch an die Löschungspflicht des Arbeitgebers strenge Anforderungen gestellt werden.

BAG verneint Löschfristen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Entscheidung nun aufgehoben und zurückverwiesen. Das LAG müsse in einem neuen Verfahren überprüfen, ob es sich um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt habe. Dann wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. zulässig gewesen.
Auch die seit Mai 2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung stünde einer gerichtlichen Verwertung der erhobenen personenbezogenen Daten der Klägerin dann nicht entgegen.

Der Arbeitgeber wäre nicht zur sofortigen Auswertung verpflichtet, sondern könnte die Aufnahmen auch vorhalten, bis sich ein Verdachtsfall ergäbe.
Nach dem Urteil des BAG ist offen, ob der Arbeitgeber überhaupt noch verpflichtet ist, die Aufnahmen aus einer rechtmäßigen Videoüberwachung innerhalb einer bestimmten Frist zu löschen. Die schriftlichen Urteilsgründe, aus denen sich eventuell noch ein Hinweis ergeben könnte, liegen noch nicht vor.

Laut der Pressemitteilung des BAG jedenfalls hat der Arbeitgeber mit der Auswertung solange warten dürfen, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah. Entscheidend soll sein, ob die Überwachung rechtmäßig war. Dann ist auch das späte Verwerten zulässig. Da hierzu aber noch nicht genügend Feststellungen getroffen waren, muss die Vorinstanz nochmals prüfen, ob die offene Videoüberwachung an sich rechtmäßig war.

Anforderungen an Videoüberwachung

Auch die offene Videoüberwachung ist nicht in jedem Fall erlaubt. Die permanente Überwachung eines Arbeitsplatzes stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten dar, der gerechtfertigt sein muss.

Sowohl die offene als auch die verdeckte Überwachung von Arbeitnehmern richtet sich im Datenschutzrecht nach § 26 BDSG. Die Überwachung muss zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich sein und bei einer Abwägung darf der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht unangemessen sein. Natürlich muss der Beschäftigte bei einer offenen Überwachung auf diese hingewiesen werden.

Es wäre ohne Zweifel für das BAG auch möglich gewesen, bei der Entscheidung einen mehr auf Schutz der Beschäftigtendaten ausgerichteten Ansatz zu wählen. Die Datenschutzgrundverordnung verlangt in Art. 5 unter anderem die Zweckbindung, die Datenminimierung und die Speicherbegrenzung von erhobenen personenbezogenen Daten. Unter diesem Aspekt ist erstaunlich, dass die Speicherung von Videoaufnahmen ohne zeitliche Begrenzung zulässig sein soll.

Beim Einsatz einer Videoüberwachung ist der Betriebsrat stets zu beteiligen. Denn nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG steht dem Betriebsrat bei Maßnahmen, mit denen der Arbeitgeber die Leistung oder das Verhalten von Arbeitnehmern prüfen oder überwachen könnte, ein Mitbestimmungsrecht zu. Im Rahmen der Ausübung des Mitbestimmungsrechts haben Arbeitgeber sowie Betriebsrat das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zu beachten nach § 75 Abs. 2 BetrVG.

Matthias Beckmann , DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

BAG (23.08.2018)
Aktenzeichen 2 AZR 133/18
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 10.10.2018.
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