Befristung

BVerfG stärkt Schutz vor Kettenbefristungen

04. Juli 2018 Kettenbefristungen
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Quelle: © bluedesign / Foto Dollar Club

Eine sachgrundlose Befristung – drei Jahre nach Ende des letzten Vertrages – ist nach der Entscheidung des BVerfG nicht mehr möglich. Das Verbot mehrfacher sachgrundloser Befristungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist verfassungsgemäß. Der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers darf nicht durch die Auslegung des BAG übergangen werden. Von Bettina Krämer.

Das war der Fall

Der Entscheidung lag die Verfassungsbeschwerde eines IG Metall-Mitglieds und ein Vorlagebeschluss eines Arbeitsgerichtes zugrunde. Arbeitnehmer und Arbeitgeber stritten um die Frage, ob ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vorliegt, weil unwirksam ohne Sachgrund befristet worden war.

Der Arbeitnehmer war 2007 bis 2009 und dann wieder 2012 bis 2013 ohne Sachgrund beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt worden. Der Arbeitgeber meinte, dass er, da das letzte Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurücklag, wieder ohne Sachgrund befristen durfte. Dem lag eine Rechtsansicht des BAG zugrunde, die der Arbeitnehmer nicht hinnehmen wollte.

Er unterlag bei den Arbeitsgerichten und zog Dank gewerkschaftlicher Unterstützung bis zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Beim BVerfG gewann der Arbeitnehmer, er ist nun unbefristet beschäftigt.

Sachgrundlose Befristung bei Vorbeschäftigung nicht möglich

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (§ 14 Abs. 2 TzBfG) bestimmt, dass ein Arbeitnehmer nicht mehr sachgrundlos befristet werden kann, wenn  zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dieser Grundsatz wird Vorbeschäftigungsverbot genannt.

Ziel der Vorschrift ist zu verhindern, dass ein Arbeitgeber mehr als zwei Jahre ohne Sachgrund einen Arbeitnehmer prekär darüber hinaus ohne Grund befristet beschäftigt. Die vom BVerfG entschieden Fallgruppe ist abzugrenzen von der Einstellung mit Sachgrund bei einer Vorbeschäftigung. Dies ist möglich. Auch eine unbefristete Einstellung behindert das Vorbeschäftigungsverbot nicht.

BAG legt die Vorschrift anders aus

Das BAG meinte im Jahre 2011 ( 6.4.2011 – 7 AZR 716/09), das vom Gesetzgeber gewollte Vorbeschäftigungsverbot anders interpretieren zu müssen. Es entschied, dass sachgrundlos wieder befristet werden kann, wenn das letzte Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber mehr als drei Jahre zurückliegt. Die Rechtsansicht war damals eindeutig gegen den Wortlaut des § 14 Abs. 2 TzBfG und wurde sehr kritisiert. Dennoch wurde in weiten Teilen der Arbeitsgerichte in allen Instanzen diese Ansicht so umgesetzt und Entfristungsklagen mit dieser Begründung abgeschmettert. Zum Glück wagten mehrere, vor allem von der Gewerkschaft vertretene, Arbeitnehmer einen Vorstoß mit Ihren Klagen und einer ging mit seiner Entfristungsklagen nun exemplarisch auch bis zum BVerfG.

BVerfG kippt Rechtsansicht des BAG

Das BVerfG kritisierte in seiner Entscheidung die Auslegung des BAG zu § 14 Abs. 2 TzBfG. Ein Gericht kann zwar Rechtsfortbildung schreiben und Gesetze auslegen, darf jedoch nicht über den erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinausgehen. Damit ist die vom BAG vorgenommene Ansicht, dass eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrages immer dann zulässig ist, wenn eine Vorbeschäftigung mehr als drei Jahre zurückliegt, vom Tisch.

Das Verbot in § 14 Abs. 2 TzBfG ist verfassungskonform. Es dient dazu, strukturell unterlegene Arbeitnehmer vor Kettenbefristungen zu schützen und das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu sichern.

Das BVerfG hat damit dem BAG deutlich gemacht, dass dieses sich nicht als Gesetzgeber aufspielen darf und bei einer Auslegung der Norm keine entgegen dem Gesetzgeber stehende Wertung vornehmen darf.

Ausnahmen von dem Vorbeschäftigungsverbot

Nach Ansicht des BVerfG sind im Einzelfall Ausnahmen möglich. Die Ausnahme greift aber nur dann, wenn keine Gefahr der Kettenbefristung besteht. Dies ist z.B. dann gegeben, wenn  eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet oder von sehr kurzer Dauer war. Solche Sonderfälle können u.a. vorliegen bei geringfügiger Nebenbeschäftigung während der Schul- und Studienzeit oder der Tätigkeit als Werkstudent.

Praxistipp

Die aktuelle Entscheidung ist wichtig und stärkt die Arbeitnehmerrechte und den Schutz vor Kettenbefristungen.  Betroffene »vorbeschäftigte« und sachgrundlos befristete Arbeitnehmer, die schon vorbeschäftigt waren, sollten sich ggf. gerichtlich gegen die Befristung wehren und auf Entfristung klagen.

Vorsicht! Eine Entfristungsklage unterliegt einer Frist. Sie kann nur bis spätestens drei Wochen nach dem Ende der Befristung beim Arbeitsgericht erhoben werden.

Auch sollte man sich rechtlich unbedingt beraten lassen, wenn der Arbeitgeber nach der sachgrundlosen Befristung eine Befristung mit Sachgrund vereinbaren möchte. In solch einem Fall kann es passieren, dass man seinen eigentlich bestehenden Anspruch auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis wieder mit der Sachgrundbefristung zunichte macht.

Folgen für Betriebsräte

Für Betriebsräte hat die Entscheidung zur Folge, dass man die schon sachgrundlos befristeten Arbeitnehmer über die neue Gesetzeslage und die Frist für die Entfristungsklage beraten sollte. Gerade bei Vorbeschäftigung und einer Neueinstellung muss sich der Betriebsrat aber gut überlegen, ob er einer Einstellung wegen der Entscheidung des BVerfG widerspricht. Ist rechtlich klar, dass sich der Arbeitnehmer nach der Einstellung zur Not gerichtlich entfristen lassen kann, nimmt man ihm ggf. bei einem Widerspruch  zur Befristung diese Möglichkeit.

Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH

Lesetipp:

7 Fragen zur Befristung eines Arbeitsverhältnisses

Quelle

BVerfG (06.06.2018)
Aktenzeichen 1 BvL 7/14, 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters »AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat« vom 4.7.2018.
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