Lehrer

Befristet bis zu den Sommerferien

27. November 2018
Schule Unterricht Pause Ferien Klassenzimmer
Quelle: www.pixabay.com/de

Es ist ein Skandal, der auch in Deutschland Tausende Lehrer direkt betrifft: Die Befristung ihrer Arbeitsverträge zu den Sommerferien. Wer vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) Abhilfe erwartet hatte, dürfte von dessen neuem Urteil nicht begeistert sein. Von Torsten Walter.

Die deutschen Bundesländer, insbesondere Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Hamburg, wenden einen scheinbar schlauen Trick zum Geldsparen an: Sie stellen Lehrer befristet ein. Die Befristung endet jeweils mit dem Schuljahr. So brauchen sie die Lehrer während der Sommerferien nicht zu bezahlen. Jetzt hatte sich der EuGH mit der Frage zu befassen, ob durch diese Praxis befristet angestellte Lehrer gegenüber solchen mit Beamtenstatus auf Lebenszeit diskriminiert werden.

Vorlage aus Spanien

Auch in Spanien, durch die Finanzkrise zu drastischem Sparen gezwungen, werden Lehrerjobs zum Ende des Schuljahres befristet. Zwei betroffene Lehrer klagten dagegen. Die Sachen gelangten zum Obersten Gerichtshof von Kastilien-La Mancha. Weil das Befristungsrecht europäischen Richtlinien unterliegt, legte dieser die Sache dem EuGH in Luxemburg vor.

Das spanische Gericht fragte an, ob das Ende des Unterrichtszeitraums als sachlicher Grund für die Befristung der Arbeitsverhältnisse der »Interimsbeamten« (so der spanische Begriff) betrachtet werden könne. Das Gericht wies auf die damit verbundene unterschiedliche Behandlung zwischen angestellten Lehrern und Berufsbeamten hin. Ausgehend davon fragte das Gericht den EuGH, ob es mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung vereinbar sei, dass Lehrer, die zum Ende des Schuljahres ihre Stelle verlieren, nicht die Möglichkeit haben, ihren Urlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen und stattdessen eine Urlaubsabgeltung erhalten.

Antwort des EuGH

Der EuGH führte aus, das Europarecht schreibe nicht vor, unter welchen Bedingungen von befristeten Verträgen Gebrauch gemacht werden dürfe. Maßgeblich sei hier die die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang zur Richtlinie 1999/70 (»Befristungsrichtlinie«). Die bloße Tatsache, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis bei Ablauf der Befristung ende, sei gerade der charakteristische Unterschied zum unbefristeten Arbeitsverhältnis und als solche keine durch die Rahmenvereinbarung verbotene Diskriminierung.

EuGH: Vergütung des Urlaubs für Interimsbeamte genügt

Zum Urlaubsaspekt führte der EuGH aus, das europäische Urlaubsrecht sehe zwar für den Normalfall eine tatsächliche Ruhezeit vor, Urlaubsabgeltung nur, wenn das tatsächliche Nehmen der Urlaubstage wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich sei. Aber eben Letzteres sei ja der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis ein aufgrund der Befristung endet.

Somit kam der EuGH zum Ergebnis, dass das Europarecht einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, die es ermöglicht, das befristete Beschäftigungsverhältnis von als Interimsbeamte für ein Schuljahr eingestellten Lehrkräften am letzten Unterrichtstag zu beenden. Das gelte selbst dann, wenn damit diesen Lehrkräften Tage ihres bezahlten Jahresurlaubs im Sommer für dieses Schuljahr vorenthalten werden, sofern die Lehrkräfte dafür eine finanzielle Vergütung erhalten.

Fazit

So richtig überzeugend ist die Entscheidung nicht. Der EuGH legt selbst dar, Zweck der Rahmenvereinbarung sei die Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung. Nun hat aber der unbefristet beschäftigte Lehrer bezahlte Sommerferien, der mit dem Schuljahresende aufgrund Befristung ausscheidende Lehrer dagegen ist arbeitslos, wenn er nicht was anderes findet. Wenn das keine Diskriminierung ist, was ist dann überhaupt Diskriminierung?

Bundesländer sparen an Lehrerstellen

Es handelt sich leider keineswegs um Einzelfälle: Im Jahre 2017 meldeten sich in den Sommerferien 4900 Lehrkräfte in Deutschland arbeitslos – und das waren, da sich der Arbeitsmarkt für Lehrer zurzeit positiv darstellt, schon weit weniger als im Jahr davor. Da sich nicht jeder Lehrer arbeitslos meldet, dessen befristetes Arbeitsverhältnis endet, weil er z.B. vielleicht für die Ferienzeit einen Job findet), ist die Zahl der tatsächlich Betroffenen noch höher. Dass die damit dem Lehrerstand gegenüber zum Ausdruck gebrachte kaltschnäuzige Verachtung sich negativ auf das pädagogische Großklima und damit auf Deutschlands Zukunft auswirken könnte, ist den Politikern und Kultusbürokraten vielleicht nicht bewusst, oder sie nehmen es in Kauf.

Der Ball liegt bei der Politik

Aus Luxemburg kommt keine Abhilfe. Es wird weiterhin Befristungen zum Schuljahresende geben. Der Ball liegt angesichts der Positionierung des EuGH bei der Politik. Immerhin: In Rheinland-Pfalz, so heißt es, ändert sich demnächst etwas. Das Land will ab 2019 alle Vertretungslehrer über die Sommerferien bezahlen. Und in Hessen ist aufgrund eines Erlasses zur Bezahlung in den Sommerferien die Zahl der Betroffenen von ca. 1800 im Jahre 2008 auf ca. 630 im Jahre 2017 gesunken.
 

Torsten Walter, LL.M. (Leicester), DGB Bundesvorstand

 

Lesetipp:

 

»Missbrauch bei Kettenbefristung im Schuldienst, LAG Köln 4.12.2014 – 13 Sa 448/14, veröffentlicht in »Der Personalrat« 5/2015, ab S. 49.

Quelle

EuGH (21.11.2018)
Aktenzeichen Rs. C-245/17
Rechtssache C-245/17 (Pedro Viejobueno Ibáñez, Emilia de la Vara González gegen Consejería de Educación de Castilla-La Mancha)
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