Weisungsrecht

Betriebsrat kann gegen »Leitlinien« für seine Arbeit vorgehen

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Quelle: © Marco2811 / Foto Dollar Club

Ordnet ein Arbeitgeber »Leitlinien für die Betriebsräte« seines Unternehmens an, kann jeder örtliche Betriebsrat dagegen vorgehen. Der örtliche Betriebsrat hat dann auch Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen Rechtsanwalt. Von Bettina Krämer.

Der Sachverhalt

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen mit mehreren Betriebstätten, für die jeweils Betriebsräte gewählt sind. Sie erstellte zur »einheitlichen Handhabung der Regelungen der Betriebsratstätigkeit« eine »Leitlinie für Betriebsratsmitglieder bei der L -Gruppe zum Rahmen der Mandatsausübung« und übersandte diese an die örtlichen Betriebsräte.

Dies wollte zuerst ein und später weitere örtliche Betriebsräte nicht hinnehmen und leiteten jeweils eigene Beschlussverfahren mit anwaltlicher Vertretung ein. Ihr Ziel: Der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, dem Betriebsrat Weisungen zu erteilen, wie die Geschäfte des Betriebsrats zu führen sind.

Das Arbeitsgericht stellte daraufhin gerichtlich fest, dass der »Leitfaden für die Betriebsrats-Mitglieder« keine Pflichten für den Betriebsrat und seine Mitglieder auslöst. Damit gewann der Betriebsrat.

Der Anwalt rechnete daraufhin seine Kostennote gegenüber der Arbeitgeberin ab; diese bezahlte jedoch nicht. Die Arbeitgeberin meinte, die örtlichen Betriebsräte hätten ein Muster- oder Sammelverfahren anstrengen müssen. Mit der Klage hätten die Gremien gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen.

Daraufhin beantragte ein örtlicher Betriebsrat beim Arbeitsgericht, den Arbeitgeber zu verpflichten, dass er das Gremium von den Anwaltskosten freistellt. Der Betriebsrat gewann. Lediglich die Höhe der Kosten, die vom Streitwert abhängig sind, bemängelte das Arbeitsgericht und sprach daher ein geringeres Anwaltshonorar zu.

Anspruch auf Übernahme von Anwaltskosten

Im Grundsatz gilt, dass der Betriebsrat und der Arbeitgeber vertrauensvoll miteinander zusammen arbeiten sollen. Dennoch gibt es oft Streitigkeiten, so dass § 40 Abs. 1 BetrVG dem Betriebsrat das Recht einräumt, sich außergerichtlich von einem Rechtsanwalt beraten und auch gerichtlich vertreten zu lassen.

Bei Gerichtsverfahren kann sich der Betriebsrat vertreten lassen, egal ob er nun klagt oder verklagt wird. Völlig irrelevant ist auch, ob er gewinnt oder nicht, nur mutwillig darf die Klage nicht sein. Daher ist eine vorherige gütliche außergerichtliche Einigung immer sinnvoll. Scheitert diese und muss geklagt werden, muss der Arbeitgeber die Kosten der Rechtsvertretung übernehmen.

Stolperfalle Betriebsratsbeschluss

Der Betriebsrat muss in einem wirksam zustande gekommenen Beschluss entscheiden, welcher Anwalt in welcher konkreten Sache gerichtlich oder außergerichtlich beauftragt wird. Das heißt, es muss eine ordnungsgemäße Betriebsratssitzung stattfinden. Ferner müssen die Teilnehmer beschlussfähig sein.

Es ist wichtig, dass auch für jede Tätigkeit, also jeden neuen Auftrag vorher ein Beschluss gefasst wird. Wird der Rechtsanwalt in der ersten Instanz tätig, muss für die zweite Instanz (also schon vor dem Einlegen des Rechtsmittels,) ein neuer Beschluss gefasst werden (vgl. BAG 18.3.2015 - 7 ABR 4/13).

Ist der Beschluss nicht gefasst oder fehlerhaft hat dies zur Folge, dass der Betriebsrat auf den Kosten des Rechtsanwalts »sitzen bleibt«.

Weisungsfreiheit der Betriebsratsmitglieder

Im vorliegenden Fall haben sich die Betriebsräte zu Recht gegen eine »Leitlinie« für Betriebsratsmitglieder gewehrt.

Das Mandat eines Betriebsratsmitglieds ist ein Ehrenamt. Bei der Ausübung der Betriebsratstätigkeit sind die Mitglieder des Betriebsrats an keinerlei Weisung gebunden. Damit kann der Arbeitgeber keine direkten Weisungen erteilen, die die Betriebsratsarbeit oder das Abstimmungsverhalten betreffen.

Das einzelne Mitglied hat lediglich die Verpflichtung, sich bei seinem Vorgesetzten abzumelden, wenn es den Arbeitsplatz verlässt, um Betriebsratsarbeit zu leisten. Damit soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet werden, arbeitsorganisatorische Vorkehrungen zu treffen, um den Arbeitsausfall zu überbrücken oder Störungen des Betriebsablaufs zu vermeiden. Der Betriebsrat muss dabei aber nur Ort, Zeitpunkt und voraussichtliche Dauer der Freistellung, nicht aber deren Art oder Inhalt mitteilen.

An- und Abmeldepflicht am Arbeitsplatz

Umgekehrt heißt dies, dass ein Betriebsratsmitglied nicht der Zustimmung des Arbeitgebers bedarf, wenn es einer Betriebsratstätigkeit nachgehen will. Das Mitglied des Betriebsrates darf aber auch nicht einfach »den Stift wegschmeißen« und ohne rechtzeitige Abmeldung alles stehen und liegen lassen. Dies geht nur im Ausnahmefall.

Auch durch indirekte »Weisungen«, etwa über Compliance- Richtlinien wie im vorliegenden Fall, die für jeden Arbeitnehmer gelten, kann der Arbeitgeber nicht in die weisungsfreie Betriebsratsarbeit »eingreifen«, wie man vorliegend gesehen hat. Im Zweifel sollte ein Betriebsrat sich immer gegen solche Einschnitte wehren.

Praxistipp: Wirksame Beschlüsse fassen!

Dass nur wirksame Beschlüsse gefasst werden, sollte jeder Betriebsrat und sein Vorsitz jederzeit im Auge behalten. Denn unwirksame Beschlüsse verpflichten den Arbeitsgeber zu nichts. Grundsätzlich ist zu beachten:

  • Zur Betriebsratssitzung sind alle Mitglieder und ggf. nötige Ersatzmitglieder in der richtigen Reihenfolge laden (z.B. wenn reguläre Betriebsratsmitglieder im Urlaub oder krank sind)
  • Die Tagesordnung sollte der Ladung zur Sitzung beigefügt, werden. Diese sollte so konkret wie möglich formuliert sein, z.B. »Kündigung zur außerordentlichen Anhörung von Max Mustermann wegen Diebstahl«.
  • In der Sitzung muss Beschlussfähigkeit muss vorliegen. Diese liegt vor, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt, § 33 Abs. 2 BetrVG.
  • Schreiben eines Protokolls der Betriebsratssitzung und der gefassten Beschlüsse. Zwar ist das Protokoll keine Wirksamkeitsvoraussetzung, ihm kommt aber ein hoher Beweiswert zu. Denn es lässt sich nachweisen, wer anwesend war und wie bei den einzelnen Tagesordnungspunkten abgestimmt wurde.

Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LAG Köln (28.04.2017)
Aktenzeichen 9 TaBV 1/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat 4/2018 vom 7.3.2018.
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