Arbeitslohn

Betriebsvereinbarung ändert Lohnabrede nicht

26. April 2018
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Quelle: bluedesign_Dollarphotoclub

Eine Betriebsvereinbarung kann eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung nicht nachträglich zulasten des Arbeitnehmers ändern. Von Yuliya Zemlyankina.

Der Arbeitnehmer ist seit 1991 als Masseur in einem privaten Senioren- und Pflegeheim tätig. Ein Jahr später schloss er aufgrund einer Arbeitszeitreduzierung mit der Arbeitgeberin eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag. Hiernach betrug die Vergütung »monatlich in der Gruppe BAT Vc/3 = DM 2.527,80 brutto«.

Betriebsvereinbarung schreibt Tarifverträge fort

Ein Jahr später schloss die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, wonach die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) von 1961 gelten sollten. Diese Betriebsvereinbarung sollte automatisch zum Bestandteil der vor 1993 geschlossenen Arbeitsverträge werden. Die Betroffenen erhielten einen entsprechenden Nachtrag zum Arbeitsvertrag. Der Masseur unterschrieb diesen Nachtrag.

Die Arbeitgeberin kündigte die Betriebsvereinbarung zum Ende 2001. Der Masseur klagte aufgrund fehlenden Gehaltserhöhungen auf die Entgeltdifferenzen nach dem den BAT abgelösten Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für die kommunalen Arbeitgeber geltenden Fassung (TVöD/VKA).

Keine dynamische Klausel

Nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf hatte der Arbeitnehmer aufgrund der arbeitsvertraglichen Zusatzvereinbarung von 1992 zunächst einen Anspruch auf die Bezahlung nach dem Tarif. Die Betriebsvereinbarung habe dann diese arbeitsvertragliche Regelung ersetzt (LAG Düsseldorf 25.10.2016 - 8 Sa 500/16 -).

Da die Betriebsvereinbarung zum Ende 2001 gekündigt wurde, konnte der Masseur hieraus keine Ansprüche mehr haben.  Auch Nachwirkung kam ihn nicht zur Hilfe, da die Betriebsvereinbarung auf einen ausgelaufenen BAT verwies. Eine dynamische Klausel als Regelung, die die Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung für anwendbar erklärte, lag nicht vor.

Kann die Betriebsvereinbarung das Arbeitsentgelt ändern?

Das LAG vertrat die Auffassung, die Zusatzvereinbarung aus 1992 sei eine allgemeine Geschäftsbedingung. Die als AGB gefassten Regelungen seien betriebsvereinbarungsoffen. Dies bedeutet, dass die Betriebsvereinbarungen die arbeitsvertraglichen Regelungen auch dann ersetzen können, wenn diese für den Arbeitnehmer schlechter sind, als die arbeitsvertraglich vereinbarten (LAG Düsseldorf a.a.O.).

Individuell vereinbarte Vergütung ist keine AGB

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah dies anders. Die arbeitsvertragliche Zusatzvereinbarung enthielt eine dynamische Verweisung auf den BAT und auf seinen Nachfolger TVöD/VKA.

Zudem stellte die arbeitsvertraglich vereinbarte Zusatzvereinbarung eine individuell vereinbarte Regelung und nicht eine AGB dar. Aus diesem Grund konnte die Betriebsvereinbarung nachträglich diese individualrechtliche Regelung nicht zulasten des Arbeitnehmers ersetzen. Deshalb musste die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer nach der jeweiligen Entgelttabelle des TVöD/VKA vergüten.

Praxishinweis:

Im Verhältnis zu arbeitsvertraglichen Regelungen gelten die Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend (§ 77 Abs. 4 BetrVG). Allerdings nur, soweit sie Regelungen enthalten, die günstiger sind als die arbeitsvertraglichen Individualvereinbarungen (Günstigkeitsprinzip). Enthält eine Betriebsvereinbarung schlechtere Bedingungen als die im individuellen Arbeitsvertrag vereinbarten, tritt die Betriebsvereinbarung zurück. Sind die Regelungen in der Betriebsvereinbarung günstiger, verdrängen sie die arbeitsvertragliche Vereinbarung jedenfalls für die Dauer ihrer Wirkung.

Bei Abschluss einer Betriebsvereinbarung müssen die Partner der Tarifvorbehalt (§ 77 Abs. 3 BetrVG) beachten, da dieser einschränkend wirkt. Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die in einem Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können auch dann nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, wenn sie günstigere Regelungen enthalten. Eine Öffnungsklausel im Tarifvertrag kann diese Regelungssperre einschränken oder aufheben. Das ist dann der Fall, wenn und soweit ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt (§ 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG).

Yuliya Zemlyankina, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

BAG (11.04.2018)
Aktenzeichen 4 AZR 119/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 2.5.2018.
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