Bundestag verbessert Schutz für Hinweisgeber

Neues Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)
Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung nach eigenem Bekunden zum einen die Hinweisgeberschutz-Richtlinie der Europäischen Union ((EU) 2019 / 1937, (EU) 2020 / 1503) umsetzen, zum anderen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Die EU-Richtlinie hätte bis zum 17. Dezember 2021 umgesetzt werden müssen. Gegen Deutschland läuft deswegen – wie auch gegen weitere EU-Länder – ein EU-Vertragsverletzungsverfahren.
Darum geht es:
Das neue Hinweisgeberschutzgesetz, (HinSchG) regelt die wesentlichen Anforderungen und Verfahren an den Hinweisgeberschutz.
- Der Anwendungsbereich ist entsprechend der EU-Richtlinie weit gefasst. Als Hinweisgeber geschützt sind Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer; Beamtinnen und Beamte, Anteilseignerinnen und Anteilseigner, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Lieferanten: In den Schutzbereich fallen auch Personen, die bereits vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses Kenntnisse von Verstößen erlangt haben.
- Schwellenwerte: Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine interne Meldestelle einrichten. Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitenden können dabei Meldestellen gemeinsam aufbauen. Als externe Meldestelle soll grundsätzlich das Bundesamt für Justiz dienen, für einige Bereich sind spezielle Meldestellen vorgesehen.
- Wahlrecht: Die hinweisgebende Person soll laut Entwurf wählen können, ob sie sich an eine interne oder externe Meldestelle wenden.
Arbeit der Meldestellen
Die 0Identität der hinweisgebenden Person soll die Meldestelle in beiden Fällen vertraulich behandeln. Meldungen sollen auch anonym möglich sein.
Gleiches soll vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelungen auch für die externen Meldestellen gelten.- In beiden Fällen sollte zudem gelten, dass die jeweilige Meldestelle „anonym eingehende Meldungen allerdings bearbeiten [sollte], soweit dadurch die vorrangige Bearbeitung nichtanonymer Meldungen nicht gefährdet wird“.
Gang an die Öffentlichkeit?
Schutzregelungen sollen in bestimmten Fällen auch greifen, wenn die hinweisgebende Person die Informationen offenlegt, sprich: den Gang an die Öffentlichkeit wählt. Das soll der Fall sein, wenn
- eine externe Stelle auf eine Meldung nicht innerhalb eine bestimmten Frist mit bestimmten Folgemaßnahmen reagiert
- eine hinweisgebende Person Informationen offenlegen will, wenn sie „hinreichenden Grund zur Annahme“ hat, dass beispielsweise „der Verstoß wegen eines Notfalls, der Gefahr irreversibler Schäden oder vergleichbarer Umstände eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann“
oder wenn „im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befürchten sind“.
Interne Untersuchungen
Der sachliche Anwendungsbereich umfasst zahlreiche Rechtsbereiche, dazu zählen Verstöße gegen diverse EU-rechtliche Regelungen, nationales Strafrecht und bestimmte ordnungsrechtliche Regelungen, die bußgeldbewehrt sind und dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen. Der Entwurf sieht Ausnahmen für bestimmte Meldungen vor, etwa über Informationen, „die die nationale Sicherheit oder wesentliche Sicherheitsinteressen des Staates, insbesondere militärische oder sonstige sicherheitsempfindliche Belange des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums der Verteidigung oder Kritische Infrastrukturen im Sinne der BSI-Kritisverordnung betreffen“.
Nach einer Meldung soll die Meldestelle laut Entwurf Folgemaßnahmen ergreifen müssen. Dazu gehören unter anderem interne Untersuchungen oder die Einstellung des Verfahrens aus „Mangel an Beweisen“. Verfahren können zwecks weitere Untersuchungen auch an eine zuständige Arbeitseinheit oder eine zuständige Behörde abgegeben werden können.
Schutz vor Repressalien
Für hinweisgebende Personen und bestimmte andere Personen gilt nach einer Meldung ein Schutz vor Repressalien beziehungsweise vor einer Drohung damit. Nach einer Meldung erfolgte „Benachteiligungen“ einer hinweisgebenden Person „im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit“ sollen vermutet werden, dass es sich um eine Repressalie handelt.
„In diesem Fall hat die Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt hat, zu beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruhte“, heißt es im Text.
Schadenersatzpflicht durch den Verursacher
Bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien soll dem Entwurf zufolge eine Schadenersatzpflicht durch den Verursacher bestehen. Als Ordnungswidrigkeiten sollen zudem beispielsweise geahndet werden, wenn eine interne Meldestelle nicht eingerichtet oder wenn die Kommunikation zwischen hinweisgebender Person und Meldestelle behindert wird. Hinweisgebende Personen sollen im Gegenzug für den Schaden aufkommen, „der aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Meldung oder Offenlegung unrichtiger Informationen entstanden ist“. Zudem soll das Offenlegen unrichtiger Informationen eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
Änderungen im Rechtsausschuss
Im Rechtsausschuss des Bundestages hat das Gesetz noch einige Erweiterungen erfahren:
- Wer verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamtinnen und Beamten meldet, soll künftig unter den Hinweisgeberschutz fallen und somit vor Repressalien geschützt sein. Das soll auch für Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle gelten, die "einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen'
- Der Begriff der Äußerung soll nach Darstellung der Fraktionen mündliche sowie schriftliche Äußerungen etwa in Chats umfassen und auf andere Weise etwa durch Gebärden getätigte Äußerungen.
Auch der Digital Markets Act der Europäischen Union zum sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes gehören.
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Quelle: Bundestag.de, 16.12.2022