Befristung

Dienstreise verlängert Arbeitsverhältnis

11. September 2019
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Quelle: © Style Media & Design / Foto Dollar Club

Arbeitsverhältnisse können ohne Sachgrund maximal zwei Jahre befristet werden. Eine Befristung ist unwirksam, wenn die Höchstdauer überschritten wird. Die Anreise vor Beginn der Arbeit kann Teil der Arbeitszeit sein – und verlängert so die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses. Von Jens Pfanne.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte ab 2015 einen erhöhten Personalbedarf um die steigende Anzahl von Asylverfahren bearbeiten zu können. Dabei wurden sogenannte »Anhörer« und »Entscheider« gesucht. Ein Rechtsanwalt aus Düsseldorf bewarb sich 2016 auf eine ausgeschriebene Stelle. Er wurde zunächst befristet für sechs Monate am Standort in Düsseldorf eingestellt. Im Arbeitsvertrag wurde der 5.9.2016 (Montag) als Arbeitsbeginn bestimmt. Die ersten drei Wochen seiner Tätigkeit sollte der neue Arbeitnehmer zur Vorbereitung an einer Schulung in Nürnberg teilnehmen. Hierzu reiste er bereits am Sonntag, den 4.9.2016, an. Der Arbeitgeber war damit einverstanden und übernahm die Kosten für Anfahrt und Übernachtung.

Noch vor Ablauf der ersten Befristung einigte man sich Anfang 2017 auf eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 4.9.2018. Anschließend erhielt der Arbeitnehmer trotz neuer Bewerbung keinen weiteren Arbeitsvertrag vom BAMF. Er klagte auf die Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.

Höchstdauer um einen Tag überschritten

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat durch Urteil richtigerweise festgestellt, dass mit dem Arbeitnehmer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist und seiner Klage auf Weiterbeschäftigung stattgegeben.  

Im Ergebnis ist die vereinbarte Befristung unwirksam, da die maximale Höchstdauer für sachgrundlose Befristungen von zwei Jahren um einen Tag überschritten wurde. Die Anreise zur Schulung am Sonntag (4.9.2016) nach Nürnberg vor dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses am 5.9.2016 wertet das Gericht als Dienstreise und damit als Arbeitszeit. Es handelte sich bei der Anfahrt und Übernachtung nicht bloß um ein »Freizeitvergnügen«. Dies ergibt sich daraus, dass die Dienstreise mit dem Arbeitgeber vereinbart war und auch die Kosten von ihm  vollständig übernommen wurden. Damit handelte der Arbeitnehmer ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und erfüllte damit seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag.

Entgegen der vertraglichen Vereinbarung begann das Arbeitsverhältnis mit der Dienstreise schon am 4.9.2016. Dementsprechend endete der Zwei-Jahres-Zeitraum am 3.9.2018, 24:00 Uhr. Da das Arbeitsverhältnis auch am Folgetag fortgesetzt wurde, war die zulässige Höchstdauer überschritten. In der Folge ist ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da das LAG Düsseldorf die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen hat.

Unbefristet ist der Normalfall

Dieser Fall zeigt erneut, dass es bei Befristungen von Arbeitsverhältnissen regelmäßig auf die Details ankommt. Nach dem Arbeitsrecht stellen unbefristete Arbeitsverhältnisse den Normalfall dar. Dies gilt sowohl im öffentlichen Dienst als auch im privaten Bereich. Ausnahmsweise können Arbeitgeber hiervon abweichen, wenn sie dafür einen sachlichen Grund haben und dies im Zweifelsfall auch beweisen können. Die Rechtsprechung stellt hier hohe Hürden auf. Ohne Sachgrund darf eine Befristung maximal zwei Jahre dauern. Werden die Vorgaben des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) nicht eingehalten, tritt der Normalfall in Kraft: ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.

Dabei kommt es oft auf den zeitlichen Ablauf der Befristungsabrede im Arbeitsvertrag an. Es ist nicht entscheidend, auf welches Datum sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber zum Beginn der Befristung im Vertrag geeinigt haben, sondern wie das Arbeitsverhältnis tatsächlich gelebt wurde. Zu beachten ist, dass eine entsprechende Vereinbarung zwingend schriftlich und vor dem Arbeitseinsatz erfolgen muss. Nachträgliche Befristungsabreden sind hingegen unwirksam.

Es gilt die letzte Vereinbarung

Kommt einvernehmlich ein neues befristetes Arbeitsverhältnis (ggf. mit sachlichem Grund) zustande, kann allein der letzte befristete Arbeitsvertrag vor Gericht angegriffen werden. Arbeitnehmer sollten daher die ursprüngliche Befristung durch die Gewerkschaft auf ihre Wirksamkeit prüfen zu lassen, bevor sie ein neuer Arbeitsvertrag unterschreiben. Denn mit einem neuen Vertrag kann der Arbeitgeber ihm unterlaufene Fehler nachträglich korrigieren. Unter Umständen hat der Arbeitnehmer dann keine Chance mehr auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag.

Befristung gerichtlich prüfen lassen

Viele Arbeitgeber machen sich zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses kaum Gedanken über einen Befristungsgrund. In vielen Fällen lohnt sich eine juristische Prüfung. Um eine Befristung gerichtlich prüfen zu lassen, ist allerdings Eile geboten: Wie bei einer Kündigungsschutzklage muss die Feststellungsklage spätestens drei Wochen nach dem vereinbarten Ende beim Arbeitsgericht eingegangen sein.

Zwar ist eine Klage auch während des Arbeitsverhältnisses möglich, allerdings sollten Beschäftigte zunächst die Wartezeit von sechs Monaten abwarten - erst dann gilt das Kündigungsschutzgesetz im Falle einer vorzeitigen Kündigung durch den Arbeitgeber.

Jens Pfanne, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LAG Düsseldorf (19.04.2019)
Aktenzeichen 3 Sa 1126/18
Sie erhalten diese Entscheidungsbesprechung als Teil des Newsletters »AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat« vom 11.9.2019.
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