Grundrechte 4.0

Digital-Charta soll Debatte befeuern

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Quelle: © Gina Sanders / Foto Dollar Club

Die Europäische Union hat Vorschläge für eine Charta der digitalen Grundrechte formuliert. Ralf-Peter Hayen, Referatsleiter Recht beim DGB-Bundesvorstand, erläutert die Charta und die Position der gewerkschaftlichen Dachorganisation in »Der Personalrat« (PersR) 3/2018.

Worum handelt es sich bei der Charta?

Die Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union, auch Digitalcharta, ist eine Initiative von Netzaktivisten, Politikern, Wissenschaftlern, Schriftstellern, Journalisten und Bürgerrechtlern unter dem Dach der Zeit-Stiftung, die eine allgemeine und rechtlich verbindliche schriftliche Niederlegung von Grundrechten in der digitalen Welt auf europäischer Ebene fordern. Zu den Initiatoren gehören unter anderem Jan Philipp Albrecht, Mitglied des Europäischen Parlaments und Berichterstatter zur Datenschutzgrundverordnung, Dr. Johannes Caspar, Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, sowie Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem, Richter am Bundesverfassungsgericht a.D. Das Papier wurde am 30. November 2016 auf Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch veröffentlicht und am 5. Dezember 2016 in Brüssel dem Europäischen Parlament und der Öffentlichkeit zur weiteren Diskussion übergeben.

Welche Positionen vertritt der DGB zur Charta und wie ist diese einzuordnen?

Den Urhebern geht es nicht um einen verfassungsgebenden Text, sondern um eine Grundlage für eine gesellschaftliche Diskussion über Grundrechte im digitalen Zeitalter. Die Form eines »Grundrechtskatalogs« wurde aus »plakativen Gründen« gewählt. Bei den Vorschlägen handelt es sich dementsprechend nicht um den Einstieg in ein entsprechendes europäisches Gesetzgebungsverfahren, denn dazu wäre nach dem Lissabon-Vertrag ein Grundrechte- oder Verfassungskonvent erforderlich und vorrangig. Unter dieser Maßgabe, dass es sich bei der Digitalcharta um einen politischen Debattenbeitrag handelt, der Zukunftsfragen betrifft, wird diese Initiative vom Deutschen Gewerkschaftsbund begrüßt und kritisch begleitet, da sie auf die Bedeutung, Folgen und Auswirkungen der Digitalisierung aufmerksam macht. Im Mittelpunkt der gewerkschaftlichen Kritik steht der existentielle Faktor Arbeit (Art. 21), der in der Einordnung in die Digitalcharta zu weit hinten und nur ausschnitthaft behandelt wird sowie zu eng gefasst ist.

(Mehr dazu: Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Vorschlag einer »Charta der digitalen Grundrechte«, beschlossen vom Geschäftsführenden Bundesvorstand des DGB am 12.3.2018; Download unter: https://www.dgb.de/-/MDh)

Sind die Veränderungen durch Digitalisierung so einschneidend, dass ein Katalog digitaler Grundrechte nötig ist?

Eine grundlegende Erkenntnis des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften aus den Charta-Vorschlägen ist, dass eine Unterscheidung digitaler Grundrechte und analoger Grundrechte nicht sinnvoll ist.

Digitale Grundrechte, wie die nach Demonstrationsfreiheit (etwa das Lahmlegen einer Internet-Seite als Ausdruck dieser Freiheit?), Streikfreiheit (im Netz) oder Berufsfreiheit, müssen auch in der analogen Welt aufrechterhalten und verteidigt werden.

Die Erarbeitung von Grundrechten für die digitale Agenda ist daneben gleichsam für die Überarbeitung analoger Grundrechte von Bedeutung. Nach gewerkschaftlicher Einschätzung wird es zu einer Verschmelzung dieser Bereiche kommen. Gleichwohl sind die zu erwartenden Veränderungen in der Arbeitswelt durch Digitalisierung nicht zu unterschätzen.

(Mehr dazu: Thesen für den 71. DJT, Abteilung Arbeits- und Sozialrecht: »Digitalisierung der Arbeitswelt – Herausforderungen und Regelungsbedarf« vom 15.6.2016; Download unter: http://www.dgb.de/-/MOH)

Um den Grundrechteschutz im digitalen Zeitalter sicherzustellen, erklärt im Übrigen auch die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag vom 7. Februar 2018 das Projekt einer europäischen digitalen Grundrechtecharta begleiten zu wollen, da im digitalen Zeitalter universelle Spielregeln wichtig seien und die Charta die Chancen und Risiken der Digitalisierung zu einem gerechten Ausgleich bringen wolle.

(Mehr dazu: Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 7.2.2018, S. 49, Zeilen 2230 bis 2234; Download unter: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2018-2021_Bund_final.pdf)

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© bund-verlag.de (mst)

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