Insolvenz - Der DGB Rechtsschutz kommentiert

Lohnzahlung über Drittkonto nicht anfechtbar

13. November 2015

Der Insolvenzverwalter kann eine Lohnzahlung nicht automatisch anfechten, weil der insolvente Arbeitgeber den Lohn über das Konto eines Dritten gezahlt hat. Matthias Beckmann (DGB Rechtsschutz) erklärt, wann der Lohn vor Rückforderungen sicher ist.

Hier lesen Sie eine Zusammenfassung der EntscheidungFolgen für die Praxis

Anmerkung von Matthias Beckmann, DGB Rechtsschutz GmbH

Im Fall der Insolvenz eines Unternehmens hat der Insolvenzverwalter unter anderem die Aufgabe sicherzustellen, dass kein Gläubiger im Verhältnis zu anderen benachteiligt oder bevorzugt wird. Hat das insolvente Unternehmen noch kurz vor Insolvenzeröffnung Zahlungen geleistet, hat der Insolvenzverwalter daher unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Rechtshandlung anzufechten und das Geld zurück zu fordern. Die Schmälerung der Insolvenzmasse soll so korrigiert werden.

Ein Arbeitnehmer, der bis zur Insolvenzeröffnung sein Gehalt bekommen hat, hat eine solche Insolvenzanfechtung in der Regel und glücklicherweise nicht zu fürchten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) nimmt zugunsten des Arbeitnehmers an, dass er von der drohenden Insolvenz in den meisten Fällen nichts weiß. Zudem privilegiert das BAG Lohnzahlung als Bargeschäfte im Sinne des § 142 InsO. Diese sind nur unter engen Voraussetzungen anfechtbar.

Zahlungen über Konten Dritter gelten als verdächtig

Etwas anderes gilt aber dann, bei einer sogenannten inkongruenten Deckung. Wenn die Lohnzahlung nicht vom insolventen Arbeitgeber direkt erfolgt, sondern über dritte Personen oder Unternehmen läuft, ist das im Hinblick auf die drohende Insolvenz besonders verdächtig.

Der Gläubiger, also der Arbeitnehmer, ist in diesen Fällen nach Ansicht des BAG weniger schutzbedürftig. So hat das BAG 2013 entschieden (BAG v. 21.11.2013 - 6 AZR 159/12), dass Lohnzahlungen von einem Schwesterunternehmen in den letzten Monaten vor der Insolvenz des Arbeitgebers inkongruent und daher anfechtbar seien.

Zwingend nachvollziehbar ist dies allerdings nicht. Der Arbeitnehmer hat keinen Einfluss darauf, wie seine Gehaltszahlung erfolgt und wird in diesen Fällen vom BAG weitgehend schutzlos gestellt.

Verdacht lässt sich widerlegen

Im hiesigen Fall nun hat das BAG trotz Abwicklung der Lohnzahlung über ein Drittkonto anders entschieden. Die Umstände dieses Falles deuteten nicht auf eine Benachteiligung anderer Gläubiger hin. Die Lohnzahlungen wurden schon seit geraumer Zeit über das Drittkonto abgewickelt und nicht erst zeitnah zum Insolvenzereignis. Der Zahlungsweg war somit unverdächtig.

Die Entscheidung des BAG ist richtig. Aber es wäre erstrebenswert, dass Arbeitsentgelt, für das der Arbeitnehmer schließlich eine Gegenleistung erbracht hat und auf das er zur Bestreitung seines Lebensunterhalts angewiesen ist, grundsätzlich keiner Anfechtung durch den Insolvenzverwalter unterliegt.

Betriebsräten empfiehlt es sich, bei drohenden Unternehmenskrisen gewerkschaftlichen oder anderen rechtlichen Rat einzuholen, um ggf. den Beschäftigten bei der Absicherung ihrer Lohnansprüche behilflich sein zu können.

Lesetipps der AiB-Redaktion:

  • »Rückforderung von Arbeitsentgelt durch Insolvenzverwalter« von Schulze/Weitz in AiB 5/2009, S. 552-554.
  • »Arbeitsentgelt in der Insolvenz« von Schulze/Weitz in AiB 5/2009, S. 255-258.


Buchtipp:
»Das Insolvenzhandbuch für die Praxis« von Wilhelm Bichlmeier & Andrej Wroblewski, Bund-Verlag 2015, ca. 650 Seiten, gebunden, 4. Auflage (ab 11/2015), ISBN: 978-3-7663-6441-8.

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