Arbeitsentgelt

Betriebsrat kann alle Gehälter einsehen

10. August 2016

Der Betriebsrat wacht darüber, ob der Arbeitgeber bei der Vergütung den Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet. Daher kann auch ein örtlicher Betriebsrat die Bruttoentgeltlisten anderer Betriebe des Unternehmens einsehen. Das Einsichtsrecht besteht unabhängig davon, ob im anderen Betrieb auch ein Betriebsrat amtiert.

Klage auf Einsicht erfolgreich

Arbeitgeber und Betriebsrat stritten über das Einsichtsrecht des Betriebsrats in die Bruttolohn- und Gehaltslisten. Der Arbeitgeber, ein Omnibusunternehmen, hatte vier Betriebsstätten mit jeweils vier gewählten Betriebsratsgremien. Der Betriebsrat eines Betriebs wollte Einsicht in alle Lohnlisten sämtlicher Mitarbeiter der vier Betriebe haben. Der Arbeitgeber lehnte dies ab. Der örtliche Betriebsrat habe nach seiner Ansicht nur ein Einsichtsrecht für den Betrieb, für den er gewählt sei. Dies ließ der Betriebsrat nicht auf sich sitzen, klagte und gewann vor dem Landesarbeitsgericht (LAG).

Einsichtsrecht in Bruttolohnlisten

Die Richter in Kiel bestätigten das Einsichtsrecht und stärkten damit die Stellung des Betriebsrats unternehmensweit. Sie sprachen das Einsichtsrecht sogar rückwirkend ab dem Jahr 2014 zu, so dass die Lohnlisten der Vorjahre noch angefordert werden konnten. Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz jederzeit die Unterlagen zur Verfügung stellen muss, die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlich sind (§ 80 Abs. 2 BetrVG).

Zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört auch die Überwachung der Einhaltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Unternehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt dabei unternehmensbezogen, betonten die Richter. Aus diesem Grund kann und muss der Betriebsrat alle Lohnlisten des gesamten Unternehmens einsehen und herausfinden können, ob Entgeltstrukturen, Tarifverträge usw. eingehalten wurden.

Kein konkreter Anlass erforderlich

Für die Einsichtnahme benötigt der Betriebsrat keinen bestimmten Anlass, sondern er kann jederzeit auf Verlangen Einsicht nehmen. Sinnvoll kann dies unter anderem sein, wenn neue Mitarbeiter eingestellt wurden oder wenn es tarifliche Änderungen gab. Ein Nachteil: Der Betriebsrat hat nur ein Einsichtsrecht und kein Recht auf Aushändigung der Listen. Das kann der Arbeitgeber aber freiwillig tun. Der Betriebsrat darf sich während der Einsicht Notizen machen, so dass die nötigen Informationen eben aufgeschrieben werden müssen.

Praxistipp: Einsicht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten

Das Einsichtsrecht umfasst die vollständige Bruttolohn- und –gehaltslisten. Ausgeschlossen sind die leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 BetrVG. Bei den Lohnlisten handelt es sich um Bruttolohn- und Gehaltslisten. Die Liste muss sich auf alle Lohn- und Gehaltsbestandteile beziehen, also auch Zuschläge für Überstunden und Sonderzahlungen aus bestimmten Anlässen.

Die Arbeitnehmer müssen vor der Einsichtnahme nicht alle zustimmen. Datenschutzrechtlich ist die Einsichtnahme auch unproblematisch: Der Betriebsrat gilt nicht als »Dritter« im Sinne der Datenschutzgesetze.

Unternehmensweiter Vergleich ist wichtig

Grundsätzlich gilt, dass der arbeitsvertragliche Gleichbehandlungsgrundsatz den Arbeitgeber verpflichtet seine Arbeitnehmer gleich zu behandeln. Nur wenn es sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung gibt, darf der Arbeitgeber Beschäftigte ungleich behandeln. Arbeitnehmer aus unterschiedlichen Betrieben eines Unternehmens fällt es im Einzelfall schwer, selbst eine Ungleichbehandlung festzustellen, da sie oft nicht vernetzt sind und an unterschiedlichen Standorten arbeiten. Daher ist es wichtig, dass der Betriebsrat im Unternehmen übergreifend mehrere Betriebsstätten im Blick behalten kann.

Was tun bei Benachteiligung?

Der Betriebsrat kann keinen individualrechtlichen Anspruch der Arbeitnehmer geltend machen, auch nicht den auf Gleichbehandlung bei Lohn und Gehalt. Er kann jedoch die Arbeitnehmer über die Ungleichbehandlung informieren, so dass diese selbst den richtigen Lohn vom Arbeitgeber einfordern und Klage erheben können. Weiterhin kann sich der Betriebsrat auch beim Arbeitgeber für eine Gleichbehandlung einsetzen und damit gerechte Lohngestaltung erreichen.

Gute Aussichten

Gegen den Beschluss ist eine Rechtsbeschwerde eingelegt und beim Bundesarbeitsgericht (BAG) anhängig (Aktenzeichen 1 ABR 27/16). Es ist zu erwarten, dass das BAG die völlig zutreffende Entscheidung aus Kiel nicht aufhebt, so dass die Rechte des Betriebsrats nicht wieder beschnitten werden. Lohngerechtigkeit ist ein wichtiger Aspekt für alle Arbeitnehmer und sollte vom Betriebsrat kontrolliert und durchgesetzt werden können. Das Einsichtsrecht ist dabei ein wichtiges Instrument.

Lesetipps:

Mehr zum Anspruch auf Lohngleichheit lesen Sie im aktuellen Ratgeber von Ewald Helml »Arbeitnehmer fragen - Betriebsräte antworten« (S. 114-116) .

Wie der Betriebsrat Lohngerechtigkeit sicherstellt: »Wer wird wie bezahlt« von Ratzesberger/Schulze in der AiB 6/2016, S. 14-17 .

LAG Schleswig-Holstein, 9.02.2016 - 1 TaBV 43/15Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH
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