Diskriminierung - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Pilot gewinnt Kampf gegen Mützenpflicht

24. Oktober 2014

Lufthansa-Piloten dürfen ihrem Job auch ohne Pilotenmütze nachgehen. Denn eine Betriebsvereinbarung, die nur männlichen Piloten das Tragen der Cockpit-Mütze vorschreibt, ist diskriminierend. Etwaige Besonderheiten weiblicher Frisur-Gestaltung seien unerheblich, entschied das BAG.

Die »Betriebsvereinbarung Dienstbekleidung« schreibt Lufthansa-Piloten vor, auf Flughäfen eine Uniform zu tragen. Zu dieser gehört bei Piloten auch eine sogenannte Cockpit-Mütze. Pilotinnen dürfen frei entscheiden, ob sie diese Kopfbedeckung tragen möchten oder nicht. Bei ihnen gehört die »Cockpit-Mütze« auch nicht zur Uniform.

Ein Pilot war mit dieser unterschiedlichen Ausgestaltung nicht einverstanden und klagte durch alle Instanzen gegen die seiner Ansicht nach diskriminierende Mützenpflicht. Die Fluggesellschaft beruft sich zu ihrer Rechtfertigung erstens auf das klassische Pilotenbild und zweitens auf Besonderheiten von Damenfrisuren. Das LAG Köln hatte der Mützenpflicht noch seinen Segen gegeben (Urteil vom 29.10.2012, Az. 5 Sa 549/11).

Unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt
Das Bundesarbeitsgericht entschied jetzt zu Gunsten des Piloten. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Tragepflicht verstößt nämlich gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und ist daher unwirksam, urteilten die Erfurter Richter.

Die einheitliche Dienstkleidung soll das Cockpitpersonal in der Öffentlichkeit als hervorgehobene Repräsentanten des Luftfahrtunternehmens kenntlich machen. Gemessen an diesem Regelungszweck ist eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt. Ob es sich außerdem auch um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts handelt, bedurfte keiner Entscheidung.

Rolle des Betriebsrats und rechtlicher Hintergrund

Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung das Tragen einer einheitlichen Dienstkleidung regeln. Wird die Dienstkleidung für Arbeitnehmergruppen unterschiedlich ausgestaltet, verlangt der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dass eine solche Differenzierung entsprechend dem Regelungszweck sachlich gerechtfertigt ist.

Quelle:
BAG, Urteil vom 30.09.2014
Aktenzeichen 1 AZR 1083/12

Folgen für die Praxis

Anmerkung von Matthias Bauer, ehemals DGB Rechtsschutz GmbH

Sicher, man darf der Meinung sein, dass das BAG wichtigere Aufgaben habe, als sich mit der Bemützung von Piloten zu befassen, und sicher, es geht ausnahmsweise einmal um die Gleichbehandlung von Männern, von denen viele im vorgerückten Alter ganz gerne an Stelle des fehlenden Haupthaars die Pilotenmütze als Kopfbedeckung nutzen. Gleichwohl darf die Entscheidung nicht als Bereicherung des kabarettistischen Fundus verstanden werden.

Dafür ist das Grundthema zu ernst und hat die Gleichbehandlung und Gleichberechtigung der Geschlechter einen zu langen und teils mühsamen Weg hinter sich. Man denke an die hinhaltend zögerliche Umsetzung der Diskriminierungsrichtlinien der EU auf nationaler Ebene und die auf diesen Richtlinien basierende Rechtsprechung des EuGH als Motor und Maßstabsetzung für die nationalen Gerichte.

Gleichstellung ist nicht Gleichmacherei
Andererseits darf man inhaltlich durchaus unterschiedlicher Auffassung über das Ergebnis sein. Darauf weisen schon die unterschiedlichen Urteile in erster und zweiter Instanz hin. Während das Arbeitsgericht auf eine Benachteiligung der Piloten durch die Betriebsvereinbarung erkannte, war das LAG der Auffassung, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen würden. Die Kleiderordnung sei eben unterschiedlich, weil es die Geschlechter auch seien.

Dass Frauen Röcke tragen dürften, Piloten aber nicht, diskriminiere auch nicht die Männer. Piloten würden durch die Mützenpflicht deshalb nicht benachteiligt, sondern bloß anders als Frauen behandelt. Zudem sei es nicht Aufgabe des Gesetzes in allen Lebensbereichen eine völlige Gleichmacherei zu erreichen.

Das ist zumindest nachdenkenswert in Zeiten, in denen z.B. Kapitäne zuerst von Bord gehen, ohne wenigstens dem durchaus die Männer benachteiligenden ethischen Prinzip »Frauen und Kinder zuerst« zu folgen, oder in denen z.B. ein Land wie Norwegen die Einführung der Wehrpflicht für Frauen plant.

BAG greift auf Gleichbehandlungs-Grundsatz des BetrVG zurück
Diese Überlegungen könnten aber obsolet sein. Der Pressemitteilung des BAG ist nämlich zu entnehmen, dass das BAG sich dieser Diskussion und der Auseinandersetzung mit der Argumentation des LAG entzogen hat. Letzteres hatte sich mit der Geschlechtergleichheit nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beschäftigt, dagegen suchte das BAG die Grundlage für sein Urteil im »betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz« (§ 75 Abs.1 BetrVG). Dieser Grundsatz verbietet eine unterschiedliche Behandlung der Beschäftigten unabhängig vom Geschlecht. Maßstab ist das mit einer Regelung oder Maßnahme verfolgte Ziel.

Das BAG meint nun, dass die Uniform das Cockpitpersonal in der Öffentlichkeit als Repräsentanten des Unternehmens kenntlich machen soll. Um dieses Ziel zu erreichen brauchte es keine unterschiedliche Regelung bei der Kopfbedeckung. Es vermeidet damit die Gleichbehandlungsproblematik, was vorbehaltlich der Entscheidungsgründe derzeit wenig nachvollziehbar erscheint. Schließlich ist die Bekleidung zunächst geschlechts- und nicht betriebszweckbezogen.

Fazit:
Als Folge der Entscheidung steht zu erwarten, dass die Betriebsvereinbarung der Lufthansa novelliert wird und künftig auch den Frauen im Cockpit dieses Luftfahrtunternehmens eine wie auch immer geartete Kopfbedeckung verordnet wird. Ob der Kläger das wollte?

Lesetipp der AiB-Redaktion:
»Beschwerdestelle nach dem AGG – Hier kann der Betriebsrat mitbestimmen« von Benjamin Biere in »Arbeitsrecht im Betrieb (AiB)« Ausgabe 2/2010, S. 84 – 88.

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