Altersteilzeit - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Grenzen für Kündigung in der Freistellungsphase

25. August 2014

Eine außerordentliche Kündigung ist auch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit möglich, etwa wenn ein früheres Fehlverhalten erst nachträglich bekannt wird. Allerdings muss die Interessenabwägung berücksichtigen, dass die freigestellte Person ohnehin nicht mehr in den Betrieb zurückkehren wird.

Vereinbarungen zur Altersteilzeit
Der Kläger war über 30 Jahre für die Beklagte, die Stadt Wilhelmshaven, tätig; zuletzt leitete er einen städtischen Eigenbetrieb. Daneben war er Geschäftsführer einer gemeinnützigen GmbH, auf die die Stadt ihr Krankenhaus ausgegliedert hatte. Mit der Stadt hatte er zwei Verträge zur Altersteilzeit geschlossen, wonach seine Arbeitsverhältnisse mit der Stadt und der gGmbH nach einer Freistellungsphase zum 31.03.2014 enden sollten. Zum 30.09.2011 schied der Kläger bei der Stadt und bei der gGmbH aus dem aktuven Dienst aus.

Vorwürfe gegen den Arbeitnehmer
Die Stadt wirft dem Kläger vor, er habe sie und die gGmbH über seine Berechtigung, durch wirksamen Altersteilzeitvertrag vorzeitig ausscheiden zu können, getäuscht. Auch habe er seine Pflichten als Leiter des Eigenbetriebs und als Geschäftsführer der gGmbH verletzt.Er habe unter anderem Kredite nicht bestimmungsgemäß verwendet, nicht genehmigte Überziehungen vorgenommen und die Zahlungsflüsse nicht dokumentiert und seine Altersteilzeitregelung eigenmächtig zurückdatiert.

Wegen dieser Vorwürfe sah die Stadt das das Vertrauen als zerstört an und sprach zwei außerordentliche Kündigungen aus. Der Arbeitnehmer macht vor dem Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der beiden Kündigungen geltend, weiter erhob er Vergütungs- und Schadensersatzansprüche, weil ihm vertraglich zugesagten Beihilfeleistungen nicht weiter gewährt wurden.

Kündigungen waren unwirksam
Die Berufung des Klägers hatte zu einem großen Teil Erfolg. Das LAG Niedersachsen stellte fest, dass die fristlosen Kündigungen unwirksam sind und dass dem Kläger die geltend gemachten Lohn- und Beihilfeansprüche bis zum Ablauf seines Arbeitsverhältnisses zustehen. Das Gericht stützte sich auf folgende Erwägungen:

  • Grundsätzlich ist eine außerordentliche Kündigung auch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit möglich.

  • Auch eine Kündigung wegen früherer Vorfälle, die erst in der Freistellungsphase bekannt werden und das Vertrauensverhältnis zerstören, kann gerechtfertigt sein.

  • Stets ist jedoch eine Interessenabwägung erforderlich.Diese muss berücksichtigen, dass der bereits freigestellte Arbeitnehmer nicht mehr in den Betrieb zurückkehren wird.

  • Denn außerordentliche Kündigungen werden immer damit begründet, eine weitere Zusammenarbeit sei nicht zumutbar.


Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers
Das LAG hat zwar angenommen, dass dem Kläger als Leiter des Eigenbetriebs und auch als Geschäftsführer der gGmbH erhebliche Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind, die auch das Vertrauensverhältnis der Parteien berühren. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen hat es jedoch den Kläger als schutzwürdiger angesehen, zumal dieser bereits freigestellt sei und nicht mehr in den Betrieb zurückkehren wird.

Selbst wenn der fünfjährige Altersteilzeitvertrag rückdatiert und dies der Gesellschafterversammlung der gGmbH nicht offen gelegt worden sein sollte, rechtfertige dies nicht die fristlose Kündigung in der Freistellungsphase.

Da das Altersteilzeitverhältnis bis zum 31.03.2014 fortbestand, hat das LAG auch der Klage auf Zahlung der Altersteilzeitvergütung und Erstattung der Beihilfe teilweise entsprochen. Weitergehende Ersatzansprüche des Klägers über das beendete Arbeitsverhältnis hinaus hat es jedoch verneint.

Quelle:
LAG Niedersachsen, Urteil vom 06.08.2014
Aktenzeichen 17 Sa 893/13

Folgen für die Praxis

Anmerkung von Carsten Schuld, DGB Rechtsschutz GmbH

Kündigung: keine Strafe
Eine Kündigung ist rechtlich keine Strafe. Auch wenn Arbeitnehmer/innen das oft so empfinden und Arbeitgeber es oft auch so meinen. Eine außerordentliche Kündigung ist gerechtfertigt, wenn ein Kündigungsgrund vorliegt und die weitere Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar ist.

In der Freistellungsphase der Altersteilzeit ist eine ordentliche Kündigung nicht möglich, aber eine außerordentliche (»fristlose«) Kündigung. Nach Ansicht des LAG kann sich das auch aus früherem Fehlverhalten ergeben, wenn dieses erst nachträglich bekannt wird. Ein Kündigungsgrund könnte in diesem Fall durchaus gegeben sein. Vorausgesetzt, die Vorwürfe stimmten, wären die Fälschung eines Vertrages und ein unordentlicher Umgang mit Finanzmitteln durchaus ein möglicher wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung.

Notwendig: die Interessenabwägung
Aber wenn der Arbeitgeber kündigen will, muss er auch eine Interessenabwägung vornehmen. Er muss sich fragen, ob die Fortführung des Vertrags wirklich nicht zumutbar ist. Drohen Nachteile für das Unternehmen, zum Beispiel durch Widerholungsgefahr? Ist der/ die Arbeitnehmer/in besonders schützenswert, weil er auf Grund von Alter, Behinderung, Krankheit oder familiären Pflichten nur schlecht wieder eine neue Tätigkeit finden kann? Gibt es mildere Mittel, etwa eine Versetzung, die eine Wiederholungsgefahr vermeiden?

Interessenabwägung: Arbeit für den Betriebsrat
Diese Fragen können insbesondere Betriebsräte schon bei der Anhörung stellen und Alternativen zur Kündigung aufzeigen. Dies gilt besonders bei verhaltensbedingten und personenbedingten Kündigungen. Hier kann der Betriebsrat sehr helfen, eine Kündigung zu verhindern.

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