Betriebliches Eingliederungsmanagement - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Kein Anspruch auf Anwalt im BEM

12. Februar 2015

Ein Arbeitnehmer kann nicht verlangen, dass sein Anwalt an den Gesprächen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) teilnimmt. Beim BEM vertreten Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung die Beschäftigten.

Arbeitgeber muss keinen Anwalt bei BEM-Gesprächen gestatten

Es besteht keine Pflicht des Arbeitgebers, den Rechtsbeistand der betroffenen Arbeitnehmerin zu einem BEM-Gespräch hinzuzuziehen. Das Gesetz benennt in § 84 Abs. 2 SGB IX ausdrücklich alle vom Arbeitgeber in einem BEM-Gespräch zu beteiligenden Personen und Stellen.

Ein Rechtsbeistand für den betroffenen Arbeitnehmer ist nicht genannt. Der Gesetzgeber hat sich damit bewusst dazu entschieden, den Rechtsbeistand des Arbeitnehmers nicht in den Teilnehmerkreis des § 84 Abs. 2 SGB IX aufzunehmen.

Ein Hinzuziehungsanspruch kann auch nicht über § 242 BGB herbeigeführt werden. Denn dies würde bedeuten, sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegzusetzen und unzulässig in dessen Kompetenzen einzugreifen.

Vertretung durch Anwalt beim BEM gerade nicht erforderlich

Deshalb ist auch die Auffassung der Arbeitnehmerin nicht begründet, die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes sei generell als Ausgleich für die »strukturelle Unterlegenheit« der Arbeitnehmer im BEM-Gespräch erforderlich bzw. aus Gründen der »Waffengleichheit« in jedem Fall notwendig.

Der Gesetzgeber hat die Beteiligung der betrieblichen Interessenvertretung (Betriebsrat oder Personalrat) und ggf. der Schwerbehindertenvertretung, des Werks- oder Betriebsarztes sowie der örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder des Integrationsamtes für ausreichend erachtet. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist eine Vertretung der Arbeitnehmer im BEM durch Rechtsanwälte gerade nicht erforderlich.

Keine besondere Schutzbedürftigkeit

Die Erkrankung des Arbeitnehmers begründet auch keine besondere Schutzbedürftigkeit. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit stellt gerade den Grund für die Durchführung eines BEM dar. Auch zielt das BEM gerade nicht darauf ab, dem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer noch weiter zu schaden und diesem zu kündigen. Ziel ist vielmehr ihm den Arbeitsplatz zu erhalten.

Quelle:
LArbG Mainz, Entscheidung vom 18.12.2014
Aktenzeichen: 5 Sa 518/14

Folgen für die Praxis

Mit Anmerkungen von Bettina Fraunhoffer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH

Dem BEM-Gespräch folgt in der Praxis oft eine krankheitsbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber. Arbeitnehmer sollten das Gespräch daher nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern sorgfältig vorbereiten. Die Einschaltung eines arbeitnehmernahen Betriebsrates oder der Schwerbehindertenvertretung ist unbedingt anzuraten. Sieht man die Rechtsprechung des BAG zum BEM, stellt diese Mindeststandards für Qualität und Sorgfalt des Gespräches auf.

Entscheidung des LAG Mainz ist abzulehnen

Das LAG Mainz hat nun entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der die Rechtsprechung nicht kennt und auch die nachteiligen Auswirkungen eines ergebnislosen BEM für sich nicht abschätzen kann, keinen auf seiner Seite stehenden Rechtsbeistand hinzuziehen kann.

Steht tatsächlich eine krankheitsbedingte Kündigung im Raum und wäre gegebenenfalls auch begründet, ist ein Gespräch ohne Beistand fahrlässig. Es ist anzuraten in einem BEM-Gespräch niemals sämtliche Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, so dass der Arbeitgeber sich uneingeschränkt bei diesen informieren kann.

Es stellt sich beim BEM immer die Frage, was gebe ich als Arbeitnehmer dem Arbeitgeber über meine Erkrankung preis, denn diese Informationen, könnte der Arbeitgeber später in der Begründung der krankheitsbedingten Kündigung gegen den Arbeitnehmer verwenden.

Weiter muss abgewogen werden, welche Angaben gemacht werden, wenn schon klar ist, dass der Arbeitgeber kündigen wird. Der Arbeitnehmer muss sich in einem solchen Fall auch schon im Gespräch rechtlich absichern und beraten können, daher kann die Rechtsprechung des LAG Mainz nicht nachvollzogen werden.

Bei drohender Kündigung auf Rechtsbeistand bestehen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Rechtsprechung zwar im Raume ist, aber tatsächlich in der Praxis nicht gelebt werden sollte. Trotz dieser Entscheidung können und sollten Beschäftigte im BEM-Gespräch auf Hinzuziehung eines Rechtsbeistands bestehen, wenn der der betroffene Arbeitnehmer und sein Rechtsvertreter dies für nötig erachten.

Lesetipp der AiB-Redaktion:
Zu den Anforderungen an das BEM und Tipps für eine Betriebsvereinbarung: » BEM – nachhaltig und transparent« von Eberhard Kiesche in »Arbeitsrecht im Betrieb« 10/2014, S. 56-58.

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